BGH beseitigt prozessuale Hürden beim internationalen Anlegerschutz

In einer neueren Grundsatzentscheidung zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine Schadensersatzklage gegen einen in London ansässigen Broker hat der BGH den Anlegerschutz nachhaltig gestärkt. Die Kernaussage des Urteils lautet: Beteiligt sich ein in einem Mitgliedstaat der EU ansässiger Broker als Gehilfe an der „vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung“ eines Anlegers durch einen deutschen gewerblichen Terminoptionsvermittler und überweist der Anleger als Folge der unerlaubten Handlung des Vermittlers das Anlagekapital von seinem in Deutschland geführten Konto an den Broker, ist für eine gegen diesen gerichtete Schadensersatzklage die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben.

Die Entscheidung beruhte auf folgendem Fall: Der in Deutschland ansässige Kläger hatte mit einem „Terminoptionsvermittler“ einen Vertrag über die Durchführung von Optionsgeschäften abgeschlossen. Der Vermittler eröffnete für den Kläger bei der Beklagten – einem britischen Broker mit Sitz in London – ein Brokereinzelkonto. Dorthin überwies der Kläger von seinem in Deutschland geführten Girokonto die zur Durchführung der Optionsgeschäfte erforderlichen Beträge. Die über den Broker durchgeführten Terminoptionsgeschäfte führten zu einem Verlust des Klägers, den er mit seiner Schadensersatzklage nach §§ 826, 830 BGB geltend macht. Der Kernvorwurf an den Broker: Das Geschäftsmodell des Vermittlers sei insbesondere wegen der Gebührenstruktur darauf angelegt gewesen, aussichtslose Geschäfte zum eigenen Vorteil zu vermitteln. Darin liege eine sittenwidrige Schädigung, an der sich der beklagte Broker vorsätzlich beteiligt habe.

In erster Linie wandte der Broker gegen die Klage ein, nicht die deutschen, sondern die britischen Gerichte seien für diesen Fall zuständig. Rechtlich geht es dabei um die Anwendung von Artikel 5 Nr. 3 der Europäischen Gerichtsstands- und VollstreckungsVO bei Vermögensschäden von Kapitalanlegern. Nach dieser EU-rechtlichen Vorschrift kann ein „deliktischer“ Anspruch (zum Beispiel wie hier aus §§ 826, 830 BGB bei einer gemeinschaftlich begangenen „sittenwidrigen Schädigung“) sowohl am Erfolgs- als auch am Handlungsort geltend gemacht werden. Unentschieden lässt der BGH die sehr umstrittene Frage, ob die in Deutschland erfolgte Schädigung durch den Vermittler im Wege der Handlungsortzurechnung auch gegenüber dem ausländischen Broker einen in Deutschland liegenden Handlungsort begründet. Dies könne nämlich dahinstehen, da bereits ein Erfolgsort, also der Ort des Schadenseintrittes, in Deutschland bestehe. Hierfür sei die Minderung des Guthabens auf dem deutschen Girokonto ausschlaggebend und nicht erst der später eingetretene Verlust auf dem im Ausland errichteten Brokerkonto.

In Abgrenzung zur Kronhofer-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) , wonach der Erfolgsort bei Vermögensschäden grundsätzlich der Belegenheitsort des betroffenen Vermögenswertes und nicht des Hauptvermögens ist (Urteil vom 10. 6. 2004 – Rs. C-168/02), nimmt der BGH hier an, dass die unerlaubte Handlung bereits vor Überweisung des Anlagekapitals begangen worden sei. Dabei unterstreicht der BGH – wie schon in früheren Urteilen -, dass sich der Gehilfenvorsatz des Brokers lediglich auf das sittenwidrige Geschäftsmodell des Vermittlers beziehen müsse, und nicht auf die fehlerhafte Aufklärung des Anlegers durch den Vermittler.

Was folgt aus diesem Urteil? Es bestätigt zunächst einmal die kritische Haltung des BGH gegenüber der Vermittlung von Börsentermingeschäften. Die Rechtsprechung stellt seit Jahren sehr hohe Anforderungen an die Aufklärung über die mit solchen Geschäften verbundenen Risiken, was sich vor allem auf die Haftung der Vermittler selbst auswirkte. Mit dem Urteil vom 9. 3. 2010 (XI ZR 93/09) sowie dem hier berichteten Urteil hat der BGH nunmehr auch den Weg für eine Inanspruchnahme der Broker geebnet. Die Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit an die Überweisung des Anlagekapitals von einem deutschen Girokonto erleichtert die Rechtsdurchsetzung für Anleger in Deutschland gegenüber der Kronhofer-Rechtsprechung des EuGH ganz beträchtlich. Aber auch die Ausführungen zum Gehilfenvorsatz dürften es dem beteiligten Broker schwer machen, sich bei Vorliegen eines sittenwidrigen Geschäftsmodells einer Haftung zu entziehen.

Die Entscheidung dürfte sich auch auf die – hier nicht zu entscheidende – Frage des anwendbaren Rechts auswirken. Soll der Broker nach deutschem oder nach englischem (bzw. britischem) Recht haften? Nach Artikel 4 Abs. 1 ROM-II-VO (über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) ist allein der Erfolgsort für die Frage des anwendbaren Rechts maßgeblich. Die obige Rechtsprechung zum Erfolgsort sichert daher in vergleichbaren Fällen auch künftig die Anwendung deutschen Rechts (BGH vom 13. 7. 2010 – XI ZR 28/09, DB 2010 S. 2099).

Kommentare sind geschlossen.