Vor wenigen Tagen hat der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes eine lang erwartete Entscheidung getroffen (Beschluss vom 27. 9. 2010 – GmS-OGB 1/09, DB 2010 S. 2722): Klagt ein Insolvenzverwalter im Rahmen der Insolvenzanfechtung gegen einen Arbeitnehmer des Schuldners auf Rückgewähr zu viel geleisteter Vergütung nach § 143 InsO, so sei der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben. Damit setzt er sich in Widerspruch zur bisherigen Auffassung des für das Insolvenzrecht zuständigen IX. BGH-Zivilsenats, der darauf abgestellt hatte, dass das anfechtungsrechtliche Rückgewährschuldverhältnis gesetzlicher Natur sei, auch weil es erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehe und untrennbar mit der Person des Verwalters verbunden sei.
Denn Streitgegenstand auch bei der anfechtungsrechtlichen Rückforderung von Arbeitslohn sei der (arbeitsrechtliche) Anspruch auf Rückgewähr der Vergütung, nicht die „Anfechtung als solche“. Worin allerdings der Unterschied zwischen diesen beiden Ansätzen liegen soll, erläutert der Gemeinsame Senat nicht – obwohl dies für weitere vergleichbare Fragen, auch im grenzüberschreitenden Kontext, von entscheidender Bedeutung ist.
Entscheidend ist daher die in der Sache gegebene Begründung für die Rechtswegzuweisung solcher Streitigkeiten zu den Arbeitsgerichten: Die Arbeitsgerichtsbarkeit zeichne sich neben der „schnelleren und kostengünstigeren Abwicklung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten und der Nutzung der besonderen Kenntnisse von im Arbeitsleben erfahrenen Personen als ehrenamtlichen Richtern […] vor allem durch einen vom Gesetzgeber gewollten spezifischen Arbeitnehmerschutz“ aus. Dafür nennt der Gemeinsame Senat die besonderen Kostentragungs- und Vertretungsregeln – und lässt damit offen, ob das alles ist. Denn es könnte natürlich auch sein, dass die insolvenzanfechtungsrechtlichen Fragen von den Arbeitsgerichten anders beurteilt werden als von den Zivilgerichten, und dass er auch dies – jedenfalls mehrheitlich – bei seiner Bemerkung im Hinterkopf hatte. Das wäre allerdings prekär und würde – jedenfalls bei korrekter Sachbehandlung – dazu führen, dass der Gemeinsame Senat in der Zukunft in vielen Fällen zum obersten deutschen Gericht in Insolvenzanfechtungssachen würde.
Für die Praxis ist die Entscheidung allerdings zunächst einmal zu beachten, wenngleich sie (natürlich) Fragen offenlässt. So ist etwa unklar, ob die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch in Fällen greift, in denen die aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Ansprüche abgetreten oder verpfändet wurden; denn die vom Gemeinsamen Senat gegebene Ratio greift hier nicht.
Für die Zukunft ist freilich der Gesetzgeber zum Handeln aufgerufen: Denn wenn es – wie der Gemeinsame Senat sagt – darum geht, den Arbeitnehmern nicht die besonderen „Verfahrensvorteile“ des Arbeitsgerichtsprozesses vorzuenthalten, dann läge die deutlich einfachere Lösung darin, diese besonderen Vorgaben auch vor den Zivilgerichten zu beachten, als Arbeitsgerichte zu zwingen, sich in die (Un-)Tiefen des Insolvenzanfechtungsrechts einzuarbeiten. Ansonsten könnte die Entscheidung den Arbeitnehmern auch „Steine statt Brot“ geben, weil die prozessrechtlichen Erleichterungen der Arbeitsgerichtsbarkeit mit größeren materiellrechtlichen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten erkauft wären. Nicht übertragbar in die Zivilgerichtsbarkeit wäre allerdings die Beteiligung ehrenamtlicher Richter; doch dürfte das hinnehmbar sein, weil sich Insolvenzanfechtungsprozesse im Allgemeinen nicht durch Fragen auszeichnen, zu denen Arbeitsrechtspraktiker einen wichtigen Beitrag leisten können (und wollen). Gesetzgeberisches Eingreifen ist schließlich auch deshalb gefordert, weil nur so die auch aus Gründen des europäischen Zivilverfahrens- und Insolvenzrechts geforderte Verfahrenskonzentration von Insolvenzanfechtungsstreitigkeiten erreicht werden kann.