Das Bundesministerium der Justiz hat im November 2010 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes („Aktienrechtsnovelle 2011“) vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung nicht unbedingt thematisch verbundener, aber nicht unbedeutender Änderungen des Aktienrechts. Nach dem Referentenentwurf vom 2. 11. 2010 für ein Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (AktG) sollen unter anderem Aktiengesellschaften, die nicht börsennotiert sind, nur noch Namensaktien ausgeben können. Hintergrund ist die Sorge, die deutsche Inhaberaktie führe bei nicht börsennotierten Gesellschaften zur Intransparenz und ermögliche so Geldwäsche und Terrorfinanzierung. Der Referentenentwurf sieht als weitere Maßnahme gegen missbräuchliche Aktionärsklagen eine relative Befristung der Nichtigkeitsklage vor.
Mit der Klagebefristung soll dem Phänomen missbräuchlich nachgeschobener Nichtigkeitsklagen begegnet werden, also Fällen, in denen die Erhebung einer Nichtigkeitsklage bewusst zu missbräuchlichen Zwecken hinausgezögert wird – wodurch die mit dem Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) erreichte Beschleunigung des Freigabeverfahrens über Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse von Aktiengesellschaften u. U. wieder zunichte gemacht werden kann. Dabei geht es um Fälle, in denen die Erhebung von Nichtigkeitsklagen bewusst zweckwidrig hinausgezögert wird, um den Lästigkeitswert von Beschlussmängelverfahren zu erhöhen, oder einfach, um einen ungerechtfertigten Kostenvorteil zu erlangen. Solchen Fällen soll entgegengewirkt werden, ohne aber andererseits das Klagerecht der überwiegenden Mehrheit nicht missbräuchlich agierender Aktionäre unangemessen einzuschränken.
Nach der geplanten Neuregelung wird die Nichtigkeitsklage einer relativen Befristung unterworfen. Grundsätzlich bleibt sie zwar unbefristet möglich. Wird aber gegen einen Beschluss der Hauptversammlung eine Beschlussmängelklage erhoben, so müssen (weitere) Nichtigkeitsklagen gegen den Beschluss innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung des ursprünglichen Beschlussmängelverfahrens erhoben werden. Dem § 249 Abs. 2 AktG soll folgender Satz angefügt werden: „Ist die Erhebung einer Klage gegen einen Beschluss der Hauptversammlung gemäß § 246 Abs. 4 Satz 1 bekannt gemacht, so kann ein Aktionär Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss nur innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung erheben.“
Die geplante Vorschrift unterstellt bestimmte Nichtigkeitsklagen einer „relativen“ Befristung. Wird gegen einen Hauptversammlungsbeschluss Klage erhoben (hier: „Ausgangsklage“ oder „Ausgangsverfahren“), so können Aktionäre Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss nur innerhalb eines Monats erheben, nachdem die Ausgangsklage im elektronischen Bundesanzeiger bekanntgemacht wurde. Praxisrelevant sind zunächst Fälle, in denen die Gesellschaft mit ihrem Freigabeantrag Erfolg hat und die Registereintragung des Hauptversammlungsbeschlusses trotz einer anhängigen Anfechtungsklage erfolgt. Problem nach derzeit geltender Rechtslage: Wird nach durchlaufenem Freigabeverfahren, aber noch vor Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses eine neue Nichtigkeitsklage erhoben, so kann dies zu einer weiteren Verzögerung des Registerverfahrens führen und ein erneutes Freigabeverfahren erforderlich machen. Problematisch kann aber auch der umgekehrte Fall sein, in dem sich abzeichnet, dass eine Klage Erfolg haben wird. Aus der Praxis wird berichtet, dass in laufenden Beschlussmängelverfahren Nichtigkeitsklagen in einem späten Verfahrensstadium nachgeschoben werden, um so mit unverhältnismäßig niedrigem prozessualen Risiko und Aufwand zu einem Kostenerstattungsanspruch zu gelangen. Hat etwa das Gericht bereits zu erkennen gegeben, dass es eine Nichtigkeitsklage für begründet hält, und erhebt nun ein weiterer Aktionär eine Nichtigkeitsklage, so profitiert er nicht nur als notwendiger Streitgenosse von den bisherigen Prozessergebnissen, sondern hat auch die Chance, mit unverhältnismäßig niedrigem prozessualem Risiko an einen Kostenerstattungsanspruch zu gelangen.
Mit einer rechtzeitigen Veröffentlichung der Ausgangsklage soll der Vorstand künftig sicher stellen können, dass bis zu einem etwaigen Erlass des Freigabebeschlusses die Nichtigkeitsklagefrist für alle Aktionäre abgelaufen ist. Der Vorstand hat es also in der Hand, durch Veröffentlichung einer Ausgangsklage die relative Nichtigkeitsklagenfrist aus dem geplanten § 249 Abs. 2 Satz 3 AktG in Lauf zu setzen. Die vorgesehene relative Befristung betrifft alle Hauptversammlungsbeschlüsse, die tauglicher Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können.
Die Aktienrechtsnovelle 2011 ist insgesamt – gemessen an den Reformgesetzen zum AktG in den letzten Jahre – nicht der große Wurf, doch ist das derzeit womöglich auch politisch nicht gewollt. Die relative Befristung der Nichtigkeitsklage ist dabei jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung zur weiteren Reform des Beschlussmängelrechts, wo eine angemessene Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten für querulatorische Kleinaktionäre nach wie vor Not tut. Abzuwarten bleibt, ob die Verabschiedung der Novelle noch rechtzeitig für die anstehende HV-Saison 2011 gelingt.