Wie erlangt man eigentlich einen Doktortitel und wie verliert man ihn wieder? Derzeit bewegt die Medien ein spektakulärer Fall, der Anlass gibt, einmal die einschlägigen rechtlichen Vorschriften und Möglichkeiten Revue passieren zu lassen …
Jede deutsche Fakultät verfügt über eine selbst gegebene Promotionsordnung; als Beispiel sei genannt die Promotionsordnung für die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth. Die Zulassung zum Promotionsverfahren setzt danach unter anderem voraus: Die Vorlage einer Dissertation; dass der Kandidat nicht diese oder eine gleichartige Doktorprüfung an einer anderen Hochschule endgültig nicht bestanden hat; dass sich der Bewerber nicht durch sein Verhalten als zur Führung des Doktorgrades unwürdig erwiesen hat.
Für die Promotion im Fach Rechtswissenschaft ist zusätzlich grundsätzlich erforderlich, dass der Bewerber das Referendarexamen oder das Assessorexamen mindestens mit „voll befriedigend“ bestanden hat. Die Dissertation muss eine selbstständige wissenschaftliche Leistung darstellen und zur Lösung wissenschaftlicher Fragen beitragen. Sie soll zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen führen – was in der Praxis großzügig interpretiert wird; kaum eine Dissertation birgt echte wissenschaftliche Revolutionen. Die benutzte Literatur und sonstige Hilfsquellen sind vollständig anzugeben; wörtlich oder nahezu wörtlich dem Schrifttum entnommene Stellen sind kenntlich zu machen, so statuiert explizit § 7 Abs. 3 der PromO. Dem Antrag auf Zulassung zur Promotion ist eine ehrenwörtliche Erklärung des Bewerbers darüber beizufügen, dass er die Dissertation selbstständig verfasst und keine anderen als die von ihm angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt hat (Ehrenworte sind aus der älteren Politikergeneration einschlägig bekannt; damals Kiel). Ergibt sich nach Aushändigung der Urkunde, dass sich der Bewerber im Promotionsverfahren einer Täuschung schuldig gemacht hat, so kann nachträglich die Doktorprüfung für nicht bestanden erklärt werden; die Promotionsurkunde ist dann einzuziehen. Erleichterungen in der Zitierweise für Berufstätige und junge Familienväter/-mütter sieht die PromO nicht vor.
Wer sich nicht dieser mühevollen Arbeit unterziehen möchte, wird Hilfe suchen. Dafür gibt es Beratungsunternehmen, die sich auf Titelerlangung spezialisiert haben. Doktor, Professor, Konsul, Adelsbezeichnungen sind erhältlich und werden offensiv beworben. Dabei ist zuweilen Vorsicht geboten. An der juristischen Fakultät der Universität Hannover hatte vor einigen Jahren ein Fall die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erlangt, bei dem Doktor-Aspiranten eine „Promotionsberatung“ eingeschaltet und an sie bis zu 20.000 € gezahlt hatten. Die Promotionsberatung wiederum hat an der Universität Hannover einen Jura-Professor gefunden, der für etwa 2.000 € und im Erfolgsfall weitere 2.000 € die Betreuung übernahm. Im Jahre 2008 wurden sowohl der Professor als auch der Promotionsberater zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Auch der Dekan der Fakultät musste frühere Kontakte zum Promotionsberater einräumen. Es scheint sich nicht um einen Einzelfall gehandelt zu haben.
Ein anderer Hilfsdienst mit der Abkürzung IAAD (nicht zu verwechseln mit dem DAAD; die Namensgleichheit dürfte rein zufällig sein) vermittelt Doctores in spe gerne in das Ausland. Ob dort erworbene Titel in Deutschland geführt werden können und – wenn ja – wie, ist eine Frage des Einzelfalls. Für einen vom IAAD vermittelten Doktortitel aus der Slowakischen Republik vertritt das OLG Naumburg in einer jüngeren Entscheidung (Urteil vom 27. 10. 2010 – 5 U 91/10) die Ansicht, wer den Titel „JUDr.“ Bzw. „Dr. práv.“ erworben hätte, dürfe ihn nicht einfach zu „Dr.“ verkürzen. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Landesrecht des Landes Sachsen-Anhalt (Titelführung ist Ländersache!) oder aus europäischen Normen. Der betroffene Rechtsanwalt wird seine Titelführung in Zukunft also verändern müssen.
Nicht nur die jeweiligen Landesbehörden, sondern auch Wettbewerber können die Unterlassung einer unbefugten Titelführung erzwingen. So sieht es jedenfalls das OLG Naumburg: Irreführung des Publikums sei gleichzeitig ein Verstoß gegen das (hier: anwaltliche) Berufsrecht und damit auch gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Insoweit herrscht unter den Gerichten allerdings keine Einigkeit. So hatte das LG Kiel – ebenfalls zum slowakischen Doktortitel – in der Sache eines Steuerberaters entschieden, dass sich das deutsche Publikum darüber keine Gedanken mache und demgemäß auch nicht irregeführt werden könne (Urteil vom 18. 12. 2009 – 14 O 70/09).
Im Ergebnis bleibt für den Original-„Dr.“ derzeit wohl kein anderer Weg als den des in Deutschland vergossenen akademischen Schweißes.