BAG billigt kurzfristigen Verbandsaustritt von Arbeitgebern

RA FAArbR Dr. Sandra Urban-Crell, Partnerin bei McDermott Will & Emery, Rechts¬anwälte Steuerberater LLP, Düsssseldorf

RAìn FAArbR Dr. Sandra Urban-Crell, Partnerin bei McDermott Will & Emery, Düsseldorf

Durch den Austritt aus dem Arbeitgeberverband meinen viele tarifgebundene Arbeitgeber, die Fesseln der Tarifbindung gänzlich abstreifen zu können. Dies ist ein Trugschluss. Aufgrund sogenannter Nachbindung bleiben sie unverändert an bereits bestehende Tarifwerke gebunden. Der „rechtzeitige“ Austritt kann allerdings dann helfen, wenn Tarifverträge erst nach dem Verbandsaustritt abgeschlossen werden. Gerade die Weitergabe von Tariflohnerhöhungen lässt sich dadurch häufig vermeiden.

Mit der Frage des „Blitzaustritts“ aus dem Arbeitgeberverband oder „Blitzwechsels“ in eine OT-Mitgliedschaft musste sich das BAG in jüngerer Vergangenheit mehrfach beschäftigen (BAG, Urteil vom 20. 2. 2008 – 4 AZR 64/07, DB 2008 S. 1809; BAG, Urteil vom 4. 6. 2008 – 4 AZR 419/07, DB 2008 S. 2712; BAG, Urteil vom 26. 8. 2009 – 4 AZR 285/08, DB 2010 S. 171). In seiner bisher lediglich als Pressemitteilung vorliegenden jüngsten Entscheidung vom 18. 5. 2011 – 4 AZR 457/09, DB0421628, bestätigt der 4. Senat seine bisherige Rechtsprechung.

Vereinsrechtliche Wirksamkeit des „Blitzaustritts“

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall stritten die Arbeitsvertragsparteien über tarifliche Entgeltansprüche der Klägerin aus einem nach dem einvernehmlichen Verbandsaustritt der Beklagten abgeschlossenen Entgeltabkommen für die Metall- und Elektroindustrie. Die Klägerin ist Mitglied der IG Metall. Die Beklagte beantragte im März 2007 beim Vorstand des Arbeitgeberverbandes die sofortige Beendigung ihrer Mitgliedschaft zum 30. 4. 2007. Dieser stimmte dem Ausscheiden zu. Trotz Verbandsaustritts der Beklagten im April 2007 machte die Klägerin Ansprüche aus dem im Mai 2007 geschlossenen Entgelttarifvertrag geltend.

Wie bereits die Vorinstanzen wies auch das BAG die Klage ab. Nach Auffassung des Senats standen die Satzungsbestimmungen des Arbeitgeberverbandes einer einvernehmlichen Beendigung der Mitgliedschaft nicht entgegen. Zwar erwähne diese ausdrücklich nur einseitige Beendigungstatbestände wie Kündigung und Ausschluss. Da die Satzung die Beendigung durch Aufhebungsvereinbarung indes nicht ausdrücklich ausschließe, sei die einvernehmliche Aufhebung der Mitgliedschaft vereinsrechtlich dennoch zulässig. Die in der Satzung vorgesehenen Kündigungsfristen müssten nicht eingehalten werden. Aufgrund ihres „rechtzeitigen“ Austritts noch im April 2007 sei die Beklagte daher nicht mehr an das erst im Mai abgeschlossene tarifliche Entgeltabkommen gebunden.

Tarifliche Wirksamkeit des „Blitzaustritts“

Über die Frage der zivil- und vereinsrechtlichen Zulässigkeit des „Blitzaustritts“ hinaus musste das BAG vorliegend nicht über dessen tarifliche Zulässigkeit entscheiden. In ständiger Rechtsprechung hält der 4. Senat den zwar satzungsrechtlich statthaften Verbandsaustritt dennoch für unwirksam, wenn dadurch die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie erheblich beeinträchtigt wird. Zu befürchten sei dies, wenn ein solcher Austritt ohne Unterrichtung der verhandelnden Gewerkschaft während laufender Tarifverhandlungen erfolge. Ob das BAG an seiner im Schrifttum stark kritisierten Auffassung zur tarifrechtlichen Unwirksamkeit des „Blitzaustritts“ festhält, konnte es hier offen lassen. Anhaltspunkte für einen Rechtsprechungswandel enthält die Pressemitteilung nicht.

Praxishinweis

Mit der vorliegenden Entscheidung hat das BAG die zivil- und vereinsrechtliche Zulässigkeit eines „Blitzaustritts“ aus dem Arbeitgeberverband nochmals bestätigt. Unter Beachtung der einschlägigen Satzungsbestimmungen können Arbeitgeber und Arbeitgeberverband auch ohne Einhaltung einer Mindestfrist eine Aufhebungsvereinbarung schließen – dies selbst dann, wenn die Satzung den Aufhebungsvertrag nicht ausdrücklich nennt.

Dies bietet Unternehmen indes keine absolute Rechtssicherheit. Auch in Zukunft werden sie weiterhin mit dem „Damoklesschwert“ der tariflichen Unwirksamkeit leben müssen. Obgleich diese sicherlich nur in seltenen Ausnahmefällen überhaupt in Betracht kommen wird, sollten Arbeitgeber die verhandelnde Gewerkschaft bei bereits laufenden Tarifvertragsverhandlungen über ihr vorzeitiges Ausscheiden umgehend informieren. Ansonsten riskieren sie die Anwendbarkeit erst nach ihrem Austritt abgeschlossener Tarifwerke.

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