Energieversorgungsunternehmen vor immer neuen Herausforderungen

RA Christian Marthol, Partner bei Rödl & Partner, Nürnberg

Am 4. 8. 2011 ist das EnWG 2011 in Kraft getreten und damit weitreichende Neuregelungen für Energieversorgungsunternehmen. Neben den Vorgaben für die Entflechtung der Transportnetzbetreiber, die nunmehr in der Form des Ownership Unbundling (Eigentumsrechtliche Entflechtung) oder als Independent System Operator (ISO) bzw. Independent Transmission Operator organisiert sein müssen, hat der Gesetzgeber weitreichende Änderungen auch für die Entflechtung der Verteilernetzbetreiber vorgesehen.

Besondere Bedeutung wird hier § 7a Abs. 7 EnWG zukommen, wonach Verteilernetzbetreiber mit mehr als 100.000 angeschlossenen Kunden, die Teil eines vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens sind, in ihrem Kommunikationsverhalten und ihrer Markenpolitik zu gewährleisten haben, dass eine Verwechslung zwischen Verteilernetzbetreiber und den Vertriebsaktivitäten des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens ausgeschlossen ist. Energieversorgungsunternehmen, an deren Netz mehr als 100.000 Kunden angeschlossen sind, sind damit verpflichtet, im Wege eines „Rebranding“ einen eigenen Marken- und Außenauftritt für ihre Netzgesellschaft zu entwickeln.  Insbesondere Regionalversorger, bei deren Netzgesellschaft in der Praxis häufig lediglich das Wort „Netz“ zur Firma und zum Logo des Mutterunternehmens ergänzt wurden, sind nun angehalten, die Netzgesellschaft beim Marken- und Außenauftritt völlig neu auszurichten.

Ob die Letztverbraucher aufgrund des neuen Außenauftritts des Netzbetreibers (mit dem sie regelmäßig keine vertraglichen Beziehungen haben) intensiver an den Entwicklungen im Energiemarkt teilnehmen werden, muss indes bezweifelt werden.

Smart Metering

War intelligenten Messeinrichtungen (Smart Meter) bisher lediglich ein einzelner Paragraf des EnWG gewidmet, so sieht der Gesetzgeber im Smart Metering nunmehr ein wesentliches Instrument des Umwelt-, Klima und Verbraucherschutzes. Dieses Ziel soll insbesondere durch vier Maßnahmen erreicht werden: (1) die verbindlichen Vorgaben von Mindestfunktionalitäten für Smart Meter, die in ein Kommunikationsnetz eingebunden sind und einen sinnvollen Einsatz in einem intelligenten Stromnetz der Zukunft ermöglichen sollen (2) der verpflichtende Einbau von Smart Meter bei Neuanschlüssen und größeren Renovierungen und bei Haushalten mit einem jährlichen Stromverbrauch > 6.000 kWh (3) der verpflichtende Einbau von Smart Meter in allen anderen Fällen, soweit dies zu keinen Mehrkosten für den Verbraucher führt (4) die Einführung von Regelungen für Datenschutz und Datensicherheit zum Schutze von Interessen der Verbraucher und des gesamten Energieversorgungssystems.

Obwohl der Nutzen von Smart Meter für die Energieeffizienz der Letztverbraucher bisher nicht abschließend nachgewiesen ist, werden die Anforderungen (und damit auch der Aufwand für die Energieversorgungsunternehmen) durch das EnWG 2011 erheblich erhöht. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob durch Smart Meter der vom Gesetzgeber erwartete Erfolg auch tatsächlich eintritt.

Lieferantenwechsel

War bisher (wenn überhaupt) der Wechsel des Energielieferanten mit einer Frist von mindestens vier Wochen zum Monatsende möglich, so sieht § 20a EnWG nun vor, dass das Verfahren für den Wechsel des Lieferanten drei Wochen, gerechnet ab dem Zeitpunkt des Zugangs der Anmeldung zur Netznutzung durch den neuen Lieferanten bei dem Netzbetreiber, an dessen Netz die Entnahmestelle angeschlossen ist, nicht überschreiten darf.

Nachdem bereits die Vorgaben der BNetzA zu GPKE (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität) und GeLiGas (Geschäftsprozesse Lieferantenwechsel Gas) viele Energieversorgungsunternehmen vor teilweise fast unlösbare Aufgaben gestellt haben, verlangt der Gesetzgeber nun zwingend die Einhaltung einer Frist von drei Wochen, was die Lage vieler Energieversorgungsunternehmen nochmals deutlich verschärfen wird. Erfolgt der Lieferantenwechsel nicht innerhalb dieser, so kann der Letztverbraucher von dem Lieferanten oder dem Netzbetreiber, der die Verzögerung zu vertreten hat, Schadensersatz  verlangen, wobei der Lieferant oder der Netzbetreiber die Beweislast trägt, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat (§ 20a Abs. 4 EnWG). Allerdings findet diese Regelung gem. § 118 Abs. 11 EnWG erst sechs Monate nach Inkrafttreten des EnWG 2011 Anwendung.

Zwar wird der Lieferantenwechsel deutlich verkürzt, die niedrigen Wechselquoten der Letztverbraucher beim Lieferantenwechsel dürfte auch durch diese Maßnahmen zumindest nicht kurzfristig erhöht werden können, zumal Ereignisse wie die spektakuläre Insolvenz von TelDaFax das Vertrauen in neue Energieanbieter nicht unbedingt bestärkt.

Verbraucherbeschwerden

Eine völlige Neuerung sieht das EnWG 2011 für die Behandlung von Verbraucherbeschwerden vor, die bei jedem Energieversorgungsunternehmen die Einführung eines internen Beschwerdemanagements erfordern wird. So haben Energieversorgungsunternehmen nach § 111 a EnWG  Verbraucherbeschwerden insbesondere zum Vertragsabschluss oder zur Qualität von Leistungen des Unternehmens innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Zugang beim Unternehmen zu beantworten. Sofern das Energieversorgungsunternehmen der Verbraucherbeschwerde nicht abhilft, kann der Verbraucher eine Schlichtungsstelle anrufen, wobei das Energieversorgungsunternehmen verpflichtet ist, an diesem Schlichtungsverfahren teilzunehmen (§ 111b EnWG). Für diese Verfahren kann die Schlichtungsstelle von dem Energieversorgungsunternehmen stets ein Entgelt erheben, vom Verbraucher dagegen nur bei offensichtlich missbräuchlichen Anträgen.

Nachdem bereits eine kaum überschaubare Anzahl von Gerichtsverfahren über die Zulässigkeit und  Angemessenheit von Erhöhungen der Energiepreise anhängig sind, muss davon ausgegangen werden, dass die nun vorgesehene Möglichkeit eines für den Verbraucher regelmäßig kostenfreien Schlichtungsverfahren, die Zahl der Beschwerden nochmals deutlich erhöhen wird.

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