Bereits im Jahr 2009 kam das „alt bewährte“ und seit 2002 nicht geänderte Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) in die Diskussion und bekam Risse. Hintergrund war die wie ein Donner einschlagende Entscheidung des EuGH vom 20. 1. 2009 (Rs. C-350/06 und C-520/06 – Schultz-Hoff, DB 2009 S. 234). Der Verfall von Urlaubsansprüchen eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers sei mit Art. 7 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. 11. 2003 (RL 2003/88/EG) nicht vereinbar, wenn der Arbeitnehmer wegen der Erkrankung daran gehindert war, den Urlaub zu nehmen.
Weitere Fragen zur Anwendung des BUrlG, u. a. durch den Vorlagebeschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 16. 6. 2011 (Az. 2 Sa 3/11, DB 2011 S. 1696) zu Abweichungsmöglichkeiten durch den Tarifvertrag werden durch den EuGH zu entscheiden sein. Dies gilt auch für die Frage der analogen Anwendung der Vorschrift des § 7 Abs. 4 BUrlG zur Urlaubsabgeltung auf Beamte, die durch das Verwaltungsgericht Freiburg am 6. 7. 2010 (Az. 3 K 1985/09) abgelehnt wurde. Das BAG wird sich hingegen mit der Kürzungsmöglichkeit des Urlaubsanspruchs für Zeiten der Elternzeit nach § 17 Abs. 1 BEEG in der Revision (Az. 9 AZR 16/11) gegen das Urteil des LAG Hannover vom 16. 11. 2010 (Az. 3 Sa 1288/10) auseinandersetzen müssen. Zwei wichtige Fragen zur Befristung des Urlaubsanspruchs und der Anwendung von Ausschlussfristen auf Urlaubsabgeltungsansprüche hat das BAG aber nunmehr entschieden.
Befristung von Urlaubsansprüchen (Urteil des BAG vom 9. 8. 2011 – 9 AZR 425/10; DB0426846 – PM Nr. 64/11)
Nach § 7 Abs. 3 BUrlG ist der Urlaub im laufenden Kalenderjahr zu nehmen. Eine Übertragung bis zum 31. 3. des Folgejahres ist nur zulässig, wenn betriebliche oder persönliche Gründe des Arbeitnehmers dies erfordern. Danach ist der Urlaubsanspruch verfallen. Der Kläger war von 2005 bis Juni 2008 dauererkrankt und nahm erst dann seine Arbeit wieder auf. Im April 2009 – nach Änderung der Rechtsprechung des BAG zum Verfall des Urlaubsanspruchs – machte er den Urlaubsanspruch aus den Jahren 2005 bis 2007 in Höhe von 90 Tagen geltend. Den für 2008 hatte er genommen.
Das BAG stellte unter Hinweis auf § 7 Abs. 3 BUrlG klar, dass der wegen Dauererkrankung übertragene Urlaub aus den Vorjahren genau wie der neu entstandene Urlaubsanspruch bis zum Ende des Kalenderjahres, bzw. des Übertragungszeitraums befristet sei und danach erlösche. Dies gelte jedenfalls mangels abweichender arbeits- oder tarifvertraglicher Regelung dann, wenn der Arbeitnehmer rechtzeitig wieder genesen sei, um seinen Urlaub antreten zu können. Da dies der Fall war, konnte das BAG die Klage abweisen und die eigentlich wichtige Frage offen lassen, ob der Arbeitnehmer über mehrere Jahre Urlaub ansammeln kann.
Urlaubsabgeltungsanspruch und Ausschlussfristen (BAG-Urteil vom 9. 8. 2011 – 9 AZR 352/10; DB0426847 – PM Nr. 63/11)
Ein finanzieller Urlaubsabgeltungsanspruch für nicht in Anspruch genommenen Urlaub, der nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG geltend gemacht werden kann, unterliegt arbeits- und tariflichen Ausschlussfristen. Dies gilt selbst dann, wenn der Urlaub wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden konnte, die über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinausgeht. Die Klägerin war im Anschluss an ihre Beschäftigung im März 2008 in Rente gegangen. Der Anspruch wurde unter Verweis auf den Ablauf der Ausschlussfrist abgewiesen. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch anders als der Urlaubsanspruch eine rein finanzielle Forderung sei, die mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig war, war die Ausschlussfrist zum Zeitpunkt der Geltendmachung im Februar 2009 bereits abgelaufen.
Aussichten
Nach wie vor offen ist die Frage der Ansammlung von mehrjährigen Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankten. Zu hoffen ist, dass der EuGH dies in Kürze klärt, bzw. zumindest Wege der Begrenzung aufzeigen wird. Das Eingreifen von Ausschlussfristen auf den Urlaubsabgeltungsanspruch, nicht aber auf den Urlaubsanspruch, sollte durch das BAG nunmehr geklärt sein.