Fällt Ihnen, liebe Leser, ein überzeugender Grund ein, aus dem eine Anwaltskanzlei als GmbH betrieben werden kann (§ 59c Abs. 1 BRAO), nicht aber als GmbH & Co. KG? Mir auch nicht! Wer die typische GmbH & Co. KG ohne Vermögensbeteiligung der Komplementär-GmbH kennt, wird mir darin zustimmen, dass diese Gesellschaft de facto nichts anderes ist als eine mitunternehmerische (§ 15 EStG) auf Kapitalkonten (nur) der Kommanditisten aufbauende GmbH im formalen Gewand einer Personengesellschaft mit einem GmbH-Geschäftsführer als (mittelbarem) Leitungsorgan. GmbH und GmbH & Co. KG sind insofern funktionsgleich.
Dass Rechtsanwälte ihr Anwaltsbüro zwar in der Rechtsform der GmbH und natürlich auch der BGB- oder Partnerschaftsgesellschaft betreiben können, nicht aber in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, leuchtet deshalb (vorsichtig gesprochen) nicht spontan ein. Die Erklärung kann, wenn Vernunftgründe nicht hierfür sprechen, nur in der von solchen Vernunftgründen abgehobenen Weisheit des Rechts liegen. Dass dies so ist, erfahren wir jüngst vom Anwaltssenat des BGH (Urteil vom 18. 7. 2011 – AnwZ (Brfg) 18/10, DB 2011 S. 2027).
Wo aber liegt das rechtliche Hindernis für die Anwalts-GmbH & Co. KG? In Österreich, wo eine Kommanditgesellschaft – auch als GmbH & Co. – zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck gegründet werden kann (vgl. § 105 Satz 3 UGB), hat man richtig erkannt, dass die Frage eine solche des Berufsrechts ist. Die Rechtsanwaltsordnung beantwortet die Frage allerdings gleichfalls in einem als unbefriedigend empfundenen Sinne. Rechtsanwälte dürfen nach § 21c Abs. 2 öRAG ihren Beruf in Gesellschaft ausüben, wenn sie geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH oder persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft sind. Geschäftsführende Kommanditisten sind dem nicht gleichgestellt.
Dieser Mangel soll aber, wie man hört, abgestellt werden. In Deutschland gehen die Gerichte vielschichtiger zu Werke. Auch unsere Bundesrechtsanwaltsordnung lässt die GmbH als Berufsausübungsgesellschaft zu (§ 59c Abs. 1), spricht aber nicht von der GmbH & Co KG. Außerdem untersagt § 59c Abs. 2 die Beteiligung von Rechtsanwaltsgesellschaften an Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung, und daraus wird gefolgert: An einer KG als einen Zusammenschluss zur gemeinschaftlichen Berufsausübung darf keine Rechtsanwaltsgesellschaft, also auch keine Rechtsanwalts-GmbH beteiligt sein (so in der Vorinstanz des Anwaltsgerichtshof München, Urteil vom 15. 11. 2010, BayAGH I – 1/10).
Doch so weit arbeitet sich der BGH als Rechtsmittelinstanz gar nicht vor. Mit einer dem Wortlaut verhafteten Auslegung des HGB schiebt er die Sache ganz dem Handelsrecht in die Schuhe: Da eine Anwaltsgesellschaft weder gewerblich tätig ist (§ 105 Abs. 1 HGB) noch „nur eigenes Vermögen verwaltet“ (§ 105 Abs. 2 HGB), kann die Gesellschaft nach der vom BGH geteilten herrschenden Meinung den Status einer GmbH & Co.KG gar nicht durch Eintragung in das Handelsregister erlangen. Das Anwaltsberufsrecht könnte, wenn man dem folgt, die Anwalts-GmbH & Co. KG also gar nicht anerkennen, selbst wenn es wollte! Das ist, wie gesagt, herrschende Auffassung, an die sich ein Schwall von Verfassungsbedenken anschließt (Gleichbehandlung? Berufsfreiheit?).
Der Anwaltssenat weist diese Bedenken beherzt zurück. Seine Ausführungen sind zur Hälfte handelsrechtlicher und zur anderen Hälfte verfassungsrechter Art, und zur Gänze sind sie beklagenswert. Die Bundesrechtsanwaltsordnung kommt darin gar nicht vor. Nun wird wohl der deutsche Gesetzgeber, um Ordnung ins Berufsrecht zu bringen, gleich an zwei Stellen nachbessern müssen: im HGB und in der BRAO. So machen Juristen sich und anderen Arbeit. Gern denkt man bei diesem Ausblick an die Zeiten des Bayerischen Obersten Landesgerichts zurück, das einst die Anwalts-GmbH und später die Anwalts-AG ohne Vorarbeit des Bundestags akzeptiert hat (Beschlüsse von 1994 und 2000). Diesem Gericht, inzwischen aus finanziellen Gründen liquidiert, gebührt ehrenhaftes Heldengedenken. Statt den Gesetzeswortlaut zu buchstabieren, hat es Recht gesprochen und hat damit recht gesprochen.
Der Anwaltssenat dagegen zeigt jetzt, was dabei herauskommt, wenn sich Richter, getreu Montesquieu, nur als „la bouche de la loi“ verstehen. Schade!