Englisch als Verfahrenssprache vor deutschen Gerichten

Dr. Martin Illmer, MJur (Oxford), Wiss. Referent, Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg

Am 9. 11. 2011 hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen (KfiHG, BT-Drucks. 17/2163) durchgeführt. Dazu waren von den Fraktionen benannte Sachverständige geladen, zu denen der Autor gehörte. Hintergrund des Gesetzentwurfs ist der sich verschärfende Wettbewerb nicht mehr nur um das anwendbare Recht, sondern auch um den in wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten von den Parteien frei wählbaren Gerichtsstand. Da die englische Sprache die unangefochtene lingua franca des internationalen Wirtschaftsverkehrs ist, haben Gerichtsstände, an denen in englischer Sprache verhandelt wird, und Schiedsgerichte (vor denen die Verhandlungssprache frei wählbar ist) in diesem Wettbewerb einen natürlichen Vorteil. Der Rechtsstreit kann dort in der Vertrags- und Verhandlungssprache der Parteien geführt werden. Da die Parteien häufig einen Gleichlauf von Gerichtsstand und anwendbarem Recht anstreben, wird durch die Wahl eines solchen Gerichtsstandes auch das dortige materielle Recht gestärkt. Diesen Wettbewerbsnachteil aufgrund der Verfahrenssprache möchte der Gesetzentwurf beseitigen.

Dazu schafft er für die Parteien in internationalen Handelssachen das Angebot, bei beiderseitigem Einverständnis das gesamte Verfahren (von den Schriftsätzen über die mündliche Verhandlung bis zur Entscheidung) in englischer Sprache zu führen. An diese Wahl sind nach dem Gesetzentwurf nur die erst- und zweitinstanzlichen Gerichte gebunden, während der BGH als Revisionsinstanz auf Deutsch verhandeln kann. Da die notwendigen Sprachkenntnisse nach eigenem Bekunden eines BGH-Richters, der ebenfalls als Sachverständiger geladen war, gegenwärtig bei keinem der Senate des BGH vorhanden sind, würde die Revision faktisch stets in deutscher Sprache verhandelt.

Nachdem sich CDU, SPD, FDP und Grüne in der ersten Lesung im Bundestag Ende September 2011 noch ergebnisoffen (nur die Linke sprach sich gegen den Entwurf aus), wenn auch in einigen Punkten kritisch geäußert hatten, wurde in der öffentlichen Anhörung deutlich, dass der Gesetzentwurf auf eine breite Zustimmung in der Richterschaft, Anwaltschaft und Wissenschaft stößt. Die Mehrzahl der Sachverständigen (sieben von neun) sprach sich nachdrücklich für den Gesetzentwurf aus. Er erhöhe die Attraktivität deutscher Gerichte, die international aufgrund ihrer Fachkompetenz, Neutralität, Schnelligkeit und Kosteneffizienz einen hervorragenden Ruf hätten. Mit der Sprachbarriere werde eines der zentralen Hindernisse für die Wahl eines deutschen Gerichtsstands beseitigt (als weiteres Hindernis wurde die AGB-Kontrolle bei Anwendung deutschen Rechts im B2B-Bereich genannt). Dies erleichtere es gerade kleinen und mittleren Unternehmen, in Vertragsverhandlungen einen deutschen Gerichtsstand durchzusetzen. Dadurch bestehe auch die Chance, verlorenes Terrain zur Rechtsfortbildung bestimmter wirtschaftsrechtlicher Rechtsgebiete für die staatlichen Gerichte zurückzuerobern. Betont wurde auch, dass auf Anwaltsseite nicht vorrangig internationale Großkanzleien, sondern mittelständische Kanzleien profitierten, da gerade diese aufgrund der niedrigeren Kosten bereit seien, Verfahren vor deutschen Gerichten statt im englischsprachigen Ausland zu führen.

Gleichwohl regten die Sachverständigen Änderungen im Detail an. Diese betrafen etwa die Frage, ob Zivilkammern für die Verfahrensführung in englischer Sprache geeigneter seien als Handelskammern, da die Justiz keinen ausreichenden Einfluss auf die Auswahl und Sprachkenntnisse der Handelsrichter habe. Diskutiert wurde auch, ob die Entscheidung des Gerichts in deutscher Sprache abzufassen sei und ob sich Englisch als Verfahrenssprache auch auf Kostenfestsetzung und Zwangsvollstreckung beziehen solle. Angeregt wurde schließlich, den Gesetzentwurf auf schiedsgerichtsbarkeitsbezogene Annexverfahren wie etwa Feststellungsanträge zur Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1032 ZPO) und Aufhebungsverfahren (§ 1059 ZPO) auszudehnen. Als kaum lösbares Problem wurde die faktische Rückkehr zur Verhandlungsführung auf Deutsch vor dem BGH angesehen, wobei angemerkt wurde, dass die Zahl der Verfahren, die bis zum BGH gelangen, eher gering ist. Verfassungs- und europarechtliche Bedenken äußerte nur einer der Sachverständigen. Einig waren sich die Sachverständigen schließlich im Hinblick darauf, dass sich der Bedarf für eine Verfahrensführung auf Englisch erst in einigen Jahren zeigen werde.

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