EuGH zur Zulässigkeit wiederholter Befristung von Arbeitsverträgen

RA, FAArbR, Solicitor (England & Wales) Tobias Neufeld, LL.M., Partner, Allen & Overy LLP, Düsseldorf

Mit seinem Urteil vom 26. 1. 2012 (C-586/10, Kücük, DB 2012 S. 290, DB0465333) hat der EuGH ein bedeutsames Urteil zur Frage der Zulässigkeit wiederholter Befristung von Arbeitsverträgen zur Vertretung anderer Arbeitnehmer gefällt. Der EuGH hat entschieden, dass es mit EU-Recht vereinbar ist, dass ein die wiederholte Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigender sachlicher Grund gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG auch dann vorliegt, wenn ein Arbeitgeber wiederholt oder dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückgreift, selbst wenn diese Vertretungen durch die Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristeten Verträgen gedeckt werden könnten.

Die Klägerin, Frau Kücük, war seit elf Jahren auf der Grundlage von insgesamt dreizehn befristeten Arbeitsverträgen als Justizangestellte in der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Köln beschäftigt. Grund für die stets befristeten Arbeitsverträge war ihr Einsatz als Vertretung unbefristet beschäftigter Kollegen, die sich vorübergehend in Elternzeit befanden oder beurlaubt waren. Mit ihrer Klage wehrte sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Befristung ihres letzten Arbeitsverhältnisses und klagte auf die Feststellung dessen unbefristeten Fortbestands. Es könne kein sachlicher Grund für die Befristung ihres letzten Arbeitsverhältnisses gegeben sein. Mit Beschluss vom 17. 11. 2010 (7 AZR 443/09 (A), DB 2011 S. 61) legte das BAG u. a. dem EuGH die nun beantwortete Frage vor.

Der EuGH bestätigt durch sein Urteil die bisherige Rechtsprechung des BAG. Ausgehend von seiner Auffassung im Urteil Angelidaki (C-378/07) stellt der EuGH klar, dass die Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse zur Deckung eines ständigen und dauerhaften Bedarfs nicht im Sinne des EU-Rechts zu befristeten Verträgen ist. Dies mache aber befristete Verträge nicht unzulässig, wenn diese – jeder für sich genommen – geschlossen wurden, um eine vorübergehende Vertretung sicherzustellen. Auch wenn die Vertretung insofern einen ständigen Bedarf decke, bleibe der Bedarf an Vertretungskräften gleichwohl vorübergehend, da zu erwarten sei, dass der vertretene Mitarbeiter nach Beendigung der Abwesenheit seine Tätigkeit wieder aufnehmen wird.

Das Urteil des EuGH ist insbesondere für große Unternehmen und Dienststellen mit einem ständigen Bedarf an Vertretungskräften wichtig. Zum einen lässt es sie insoweit aufatmen, als das (Ketten-)Befristungen zum Zweck der Vertretung unbefristet angestellter Mitarbeiter nicht per se unwirksam sind. Auch bleibt es ihnen weiter allein vorbehalten, in Vertretungsfällen jeweils neu zu entscheiden, wie auf den konkreten Ausfall von Mitarbeitern reagiert wird, selbst wenn die Vertretung durch befristet angestellte Mitarbeiter einen ständigen Bedarf deckt. Zum anderen gibt das Urteil aber keinen Freibrief für derartige Befristungsgestaltungen. Nach Auffassung des EuGH sind zur Vermeidung von Missbrauch bei wiederholten Befristungen stets alle Umstände des Einzelfalls zu prüfen und dabei namentlich die Zahl der mit denselben Personen oder zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen. Insoweit modifiziert der EuGH die Prüfungskriterien des BAG in Kettenbefristungsfällen, wonach nur der letzte Arbeitsvertrag der Befristungskontrolle unterfällt.

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