Wird das ESUG dem Insolvenzplan zum Durchbruch verhelfen?

RA Dr. Sven Schelo, Partner, Linklaters LLP, Frankfurt/M.

Bislang fristet das Insolvenzplanverfahren im deutschen Insolvenzrecht eher ein Schattendasein und wird kaum jemals genutzt. Dies hat seinen Grund sicherlich (auch) in dem recht komplizierten Verfahren und der Möglichkeit von „Akkordstörern“, das Verfahren dauerhaft zu blockieren. Das ESUG bringt hier zwei Neuerungen. Zum einen wird die Durchführung des sog. Debt-Equity-Swap im Insolvenzplanverfahren vereinfacht, zum anderen werden die Möglichkeiten für die Gläubiger und Gesellschafter, die Rechtskraft des Insolvenzplans durch Rechtsmittel zu blockieren, eingeschränkt.

Zur Erinnerung: der Debt-Equity-Swap ist wirtschaftlich gesehen die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital; die Gläubiger des Unternehmens werden also seine Eigentümer. Er kann durch eine Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung erfolgen, wobei die Gläubigerforderung als Sacheinlage eingebracht wird. In der Vergangenheit wurde dieser Weg jedoch selten beschritten. Der Grund dafür war, dass Sacheinlagen, also die Forderung, bewertet werden müssen und daher im Fall der Überbewertung dem künftigen Gesellschafter stets das Damokles-Schwert der Differenzhaftung drohte (vgl. § 9 GmbHG).  Ansonsten besteht die Möglichkeit, Gesellschaftsanteile oder Aktien auf den Gläubiger zu übertragen, der im Gegenzug auf seine Forderung ganz oder teilweise verzichtet oder dem Unternehmen überträgt. 

Ein Debt-Equity-Swap war auch bislang im bestehenden Insolvenzrecht möglich (vgl. § 230 Abs. 2 InsO a. F.), es bedurfte allerdings der Zustimmung der Gesellschafter in der gesetzlichen oder satzungsmäßig vorgeschriebenen Anzahl, also in der Regel von 75% der vertretenen bzw. abgegebenen Stimmen. Hier setzt das ESUG an: Nach den neuen Vorschriften bilden die Gesellschafter eine eigene Gruppe und, analog den Vorschriften für die Gläubiger, ist die Zustimmung der Gesellschaftergruppe gegeben, wenn die Beteiligungen der zustimmenden Anteilseigner mehr als die Hälfte der Summe der Beteiligungen der abstimmenden Anteilseigner beträgt (§ 222 Abs. 1 Nr. 4 i. V. mit § 238a, § 244 Abs. 3 InsO); eine Mehrheit nach Köpfen ist nicht erforderlich. Insofern wurde der Zustimmungsschwellenwert gesenkt. Zudem ist die Möglichkeit der Differenzhaftung der Gesellschafter über den neuen § 254 Abs. 4 InsO ausgeschlossen.

Darüber hinaus ist es aber auch möglich, einen Debt-Equity-Swap ohne jedwede Zustimmung der Gesellschafter durchzuführen. Dafür ist erforderlich, dass die übrigen Gruppen in der Mehrheit dem Plan zustimmen, die Gruppe der Gesellschafter angemessen an dem Insolvenzplan beteiligt wird und sie durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt wird, als sie ohne einen Plan stünde (§ 245 InsO, sog. Obstruktionsverbot). 

Dies führt allerdings jetzt zum zweiten Thema: Nämlich zur Einschränkung des Rechtsschutzes. Nach wie vor ist sowohl der Minderheitenschutz (§ 251 InsO) als auch die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen (§ 253 InsO), im Insolvenzplan recht weitgehend ausgestaltet (im Vergleich dazu hat z. B. der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Bankenrestrukturierung gegen einen bestätigenden Gerichtsbeschluss über den Reorganisationsplan (das Pendant zum Insolvenzplan bei systemrelevanten Banken) überhaupt keine Rechtsmittel vorgesehen. Das ESUG erhöht nun die Anforderungen für das Einlegen einer Beschwerde im Insolvenzplanverfahren:  der Gesellschafter oder  Gläubiger, der sich gegen den Plan wehren will, muss glaubhaft machen, dass er durch den Plan „wesentlich schlechter“ gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde (§ 253 InsO Abs. 2 Nr. 3 InsO). Zusätzlich darf ein solcher Nachteil nicht aus Planrückstellungen, die für diesen Fall gebildet wurden, ausgeglichen werden können. In der Regel, so sollte man meinen, sind Anteile von Gesellschaftern in der Insolvenz der Gesellschaft wertlos, sodass Gesellschafter zumindest in einem Abwicklungsszenario leer ausgegangen wären, also eine Schlechterstellung schwer denkbar ist. Gleichwohl wird man sich aber hier darauf einstellen müssen, dass sich Gesellschafter mithilfe von kreativen Berechnungen und Sachverständigengutachten wehren werden, um so doch noch dem Plan die Rechtskraft wenigstens temporär zu nehmen und sei es nur, um eine Lästigkeitsposition aufzubauen. Das Mittel des § 253 Abs. 4 InsO, mit dem der Insolvenzverwalter noch einmal eine weitere Chance hat, wegen des Vorrangs einer schnellen Planvollziehung solche Beschwerden zurückzudrängen, ist eher schwach ausgestaltet.

Insgesamt ergeben sich daher über die ESUG-Änderungen Vereinfachungen im Hinblick auf einen Debt-Equity-Swap im Insolvenzplanverfahren. Allerdings war dies nicht der einzige Grund, warum das Insolvenzplanverfahren in der Vergangenheit nicht so häufig genutzt wurde. Denn das deutsche Insolvenzrecht verfügt über eine sehr gute (international übrigens keineswegs selbstverständliche) Alternative, über die sich viele der Rechtsfolgen eines Insolvenzplans schneller und auch rechtssicher erreichen lassen. Die Rede ist von der übertragenden Sanierung. Bei so einer „Konkurrenz“ ist es kein Wunder, dass der Insolvenzplan bislang nur ein Schattendasein fristet und nur dann genutzt wird, wenn es unbedingt sein muss, nämlich weil der Rechtsträger zum Beispiel wegen Miet- oder Lizenzverträgen erhalten werden muss. Hieran wird sich trotz Einführung eines erleichterten Debt-Equity-Swaps unter Einschränkung der Blockademöglichkeit durch die Gläubiger und Gesellschafter vorrausichtlich auch in Zukunft nichts ändern.

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