In einer beachtenswerten Entscheidung vom 26. 1. 2012 – IX ZR 191/10, DB 2012 S. 684 hat der BGH zur Insolvenzfestigkeit der Pfändung aufschiebend bedingter Forderungen Stellung genommen und die bisherige Kasuistik zu § 91 Abs. 1 InsO, der grundsätzlich den Erwerb von Rechten an Gegenständen der Insolvenzmasse nach Verfahrenseröffnung ausschließt, um einen Anwendungsfall bereichert.
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Schuldner sämtliche ihm aufgrund eines Lebensversicherungsvertrags zustehenden Ansprüche für den Todesfall und weitere Ansprüche für den Erlebensfall zur Sicherheit an eine Bank abgetreten. Zudem sollte der Schuldner den Versicherungsvertrag nur mit Zustimmung der Bank kündigen dürfen. Später pfändete das Finanzamt des klagenden Landes alle Ansprüche und Rechte (einschließlich der Gestaltungsrechte) des Schuldners aus der Lebensversicherung. Im sich anschließenden Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zog der beklagte Insolvenzverwalter nach Kündigung der Lebensversicherung den Rückkaufswert zur Masse. Nach Ansicht des BGH nahm der Kläger den Insolvenzverwalter zurecht hinsichtlich des Rückkaufswerts in Anspruch, obwohl die Kündigung der Versicherung erst nach Verfahrenseröffnung erfolgt war.
Nachdem der BGH durch Auslegung des Abtretungsvertrags zu dem Ergebnis gelangt war, dass der Anspruch auf den Rückkaufswert nicht an die Bank abgetreten worden war und damit vom Kläger wirksam gepfändet werden konnte, stellte sich die Frage nach der Insolvenzfestigkeit der Pfändung dieses Anspruchs. Denn gem. § 91 Abs. 1 InsO können Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden, auch wenn dem Rechtserwerb keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Typische Anwendungsfälle sind Sicherungsabtretungen oder (Ver)Pfändungen künftiger bzw. aufschiebend bedingter Forderungen: Obschon die Verfügung des Schuldners bzw. die Zwangsvollstreckung vor Verfahrenseröffnung erfolgt, kann der Gläubiger – sofern die abgetretene bzw. ge-/verpfändete Forderung erst nach der Verfahrenseröffnung entsteht – an ihr kein Forderungsrecht zulasten der Insolvenzmasse mehr erwerben. Anders werden nur Fälle beurteilt, in denen der Zessionar bzw. der Pfandrechtsgläubiger hinsichtlich der künftigen oder aufschiebend bedingten Forderung bereits vor Verfahrenseröffnung eine gesicherte Rechtsposition erworben hat, die nicht mehr ohne sein Zutun zerstört werden kann.
So lag es im vorliegenden Fall: Der Anspruch auf den Rückkaufswert setzte die Kündigung der Versicherung voraus. Jedoch waren weder der Schuldner noch der beklagte Insolvenzverwalter in der Lage, die Versicherung zu kündigen. Sämtliche Rechte aus dem Vertrag waren an die Bank abgetreten oder (v.a. das Kündigungsrecht) wirksam durch den Kläger gepfändet. Das Kündigungsrecht des Klägers und der damit korrespondierende Anspruch auf den Rückkaufswert konnte diesem auch nicht mehr anderweitig (etwa durch Nichtzahlung der Prämien oder die Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO) entzogen werden. Demnach lag es allein in Händen des Klägers, durch Kündigung des Versicherungsvertrags die Bedingung für den Rückkaufswertanspruch eintreten zu lassen.
In seiner Entscheidung, die hinsichtlich ihrer insolvenzrechtlichen Wertungen Zustimmung verdient, setzt der BGH seine bislang zu § 91 Abs. 1 InsO entwickelte Linie konsequent fort und ergänzt sie anknüpfend an das Element der „gesicherten Rechtsposition“ um einen weiteren Anwendungsfall. Insofern sollten künftig zur insolvenzfesten Bestellung von Sicherungsabtretungen und Verpfändungen von Versicherungsforderungen auch die Gestaltungsrechte auf den Zessionar bzw. Pfandrechtsgläubiger übertragen werden, sofern sich dessen Sicherungsinteresse auch auf den Rückkaufswert der Versicherung erstrecken soll.