BGH behindert Generationswechsel in Unternehmensleitung

Der II. Zivilsenat hat entschieden, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf die Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers anzuwenden (Urt. v. 23.4.2012; II ZR 163/10: „Kliniken Köln“, Urteilsgründe noch nicht veröffentlicht). Ein 62-Jähriger klagte erfolgreich, weil ihm ein 41-Jähriger vorgezogen wurde. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats hatte erklärt, man wolle einen Jüngeren „in den Wind stellen“. Dies wurde offenbar als Indiz für eine Altersdiskriminierung gewertet. Aber warum eigentlich? Denn umgekehrt wäre der Jüngere „diskriminiert“, wenn man den Älteren nimmt. Ein anderes Beispiel: Wenn ein Unternehmen einen Frauenförderplan verkündet und bei der Besetzung der Führungspositionen beachtet, wird ein männlicher Kandidat die Gerichte mit Blick auf das AGG erfolgreich anrufen (§§ 1, 6, 22 AGG). Hier beißen sich offenbar zwei gutgemeinte Linien des rechtspolitischen Zeitgeistes.

Ob und inwieweit auch die Besetzung der Geschäftsleitung dem AGG unterliegt ist seit dessen Inkrafttreten im Jahr 2006 umstritten. § 6 AGG bestimmt, dass der “Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung” (Verweis auf Abschnitt 2 des AGG) auch für GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder gelte, allerdings nur, “soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit … betrifft”. Die Erwerbstätigkeit gründet auf dem Abschluss eines Dienstvertrags; diesem geht voran die korporative Bestellung als Geschäftsführer bzw. Vorstand. Die restriktive Auslegung will nur den zweiten Akt (Erwerbstätigkeit mittels Dienstvertrag) dem AGG unterstellen; wenn die Gesellschafter einen Geschäftsführer bestellt haben, können sie nicht anschließend wegen „Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Identität“ (§ 1 AGG) den Abschluss eines entgeltlichen Dienstvertrags verweigern. Dem gegenüber bezieht die extensive Auslegung auch die Geschäftsgrundlage für die Erwerbstätigkeit, eben die Bestellung durch die zuständigen Gesellschaftsorgane, ein. Danach ist auch der Beschluss der Gesellschafter bzw. des Aufsichtsrats an den genannten Merkmalen zu messen mit der Folge, dass ein nicht bestellter Bewerber Schadensersatz verlangen kann (§ 15 AGG).

Der letztgenannten Auffassung folgt jetzt der BGH in der ersten höchstrichterlichen Entscheidung zu diesem Problem. Für die Praxis ist die Richtung dadurch zunächst einmal vorgegeben. Manche Schlagzeile lautete nach Bekanntwerden des Urteils: „Karlsruhe verstärkt Schutz vor Altersdiskriminierung“. Das mag für den älteren Manager im Fall Klinikum Köln erfreulich sein, doch wirkt sich der Spruch aus Karlsruhe im Sinne der hier gewählten Überschrift aus. Zusammen mit dem „Danosa“-Diktum des EuGH (zur Arbeitnehmereigenschaft einer Geschäftsführerin) bahnt sich hier ein einschneidender Wandel an.

Die enge – zugegebenermaßen im Ergebnis das AGG weithin anwendungsfrei lassende – Gesetzesauslegung trifft m.E. das rechtspolitisch Richtige. Wer Geschäftsführer einer GmbH wird sollte in der Diskretion der Gesellschafter liegen, denn der Inhaber (m/w) dieser Position verfügt über ihr unternehmerisches Vermögen. Hier von Gerichts wegen einzugreifen ist ganz verkehrt, schließlich muss der Richter auch nicht die Konsequenzen tragen. Ob ein Generationswechsel in der Unternehmensführung erforderlich ist sollen die Betroffenen entscheiden. Es geht also nicht nur um die Vermeidung des vorhin erwähnten „Diskriminierungs“-Zirkels (alt-jung, Frau-Mann etc.), sondern grundsätzlich um die Freiheit der Risikoträger, eine Person ihres Vertrauens zu bestimmen. Wenn jemand einen Vermögensverwalter sucht, so darf er (bislang unbestritten) willkürlich eine ihm genehme Person auswählen; sachlich nicht anders liegt es, wenn das Vermögen in einer GmbH gebunden und dafür ein Geschäftsführer zu bestellen ist.

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