Ein abgelehnter Bewerber hat keinen Anspruch auf Auskunft darüber, warum er den erhofften Arbeitsplatz nicht erhalten hat.
Artikel 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43/EG und Artikel 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG schreiben einen solchen Anspruch auch dann nicht vor, wenn kein Grund für die fehlende Berücksichtigung des Bewerbers ersichtlich ist. Dies sagt die Entscheidung des EuGH vom 19. 4. 2012 (Az.: C-415/10 „Meister“, DB0470840). Dem Urteil liegt eine Vorlage des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zugrunde.
Im vorgelegten Fall klagt eine 1961 geborene, russischstämmige Bewerberin. Diese war nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden, obwohl sie sämtliche Stellenanforderungen erfüllte. Die Klägerin vermutet aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Alters nicht eingeladen und damit diskriminiert worden zu sein. Sie verlangt Auskunft darüber, mit wem die begehrte Stelle besetzt wurde. Die Klägerin argumentiert, ohne diese Auskunft sei ihr die Glaubhaftmachung der von ihr vermuteten Diskriminierung nicht möglich. Der EuGH stellt nun fest, dass ein Auskunftsanspruch nicht besteht.
Der befürchtete Konflikt zwischen Datenschutz und AGG ist damit abgewendet. Dennoch macht das Urteil die Situation für Unternehmen schwieriger. Denn die europäischen Richter betonten, dass die Verweigerung jedweder Auskunft über die Stellenbesetzung ein Indiz für eine Diskriminierung bilden könne. Folge wäre eine Beweislastumkehr, die es dem Arbeitgeber auferlegt, das Fehlen einer Diskriminierung zu beweisen. Dies wirft neue Fragen auf, der gedankliche Ansatz überzeugt indes. Er versucht die schwer fassbare Lebenswirklichkeit zu berücksichtigen, in der es Arbeitgeber und Personalverantwortliche gibt, die beispielsweise Bewerber mit slawischem oder arabischem Namen oder älteren Jahrgangs vorab aussortieren. Dies muss und soll verhindert werden. Andererseits ist es wichtig, die Freiheit zu schützen, Entscheidungen nach Bauchgefühl oder auch einfach Sympathie zu treffen. Bei der Auswahl von Menschen, mit denen man ein so weitreichendes Vertragsverhältnis wie einen Arbeitsvertrag eingeht, lässt sich die Auswahl nicht stets auf harte Fakten reduzieren.
Arbeitgeber müssen dem Urteil des EuGH Rechnung tragen, indem sie abgelehnten Bewerbern auf die Frage, warum sie nicht berücksichtigt wurden, eine Antwort geben. Diese kann sich in dem Hinweis erschöpfen, dass der ausgewählte Bewerber (tatsächlich!) genauer auf das Anforderungsprofil passte. Der Arbeitgeber kann auch auf weiche Kriterien verweisen. Beispielsweise ließe sich anführen, dass die Auswahlentscheidung zu Gunsten des Kollegen ausgefallen sei, da dieser im Bewerbungsgespräch besonders eloquent aufgetreten sei, teamorientierter oder interessierter gewirkt habe, da er qualifizierte Fragen zum Unternehmen gestellt habe. Der Satz „Schweigen ist Gold“ gilt gegenüber abgelehnten Bewerbern nicht mehr.