Im Kalenderjahr 2011 hat der Gesetzgeber das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in vielerlei Hinsicht reformiert. Anlass für die Reform war einerseits der Zwang zur Umsetzung der Europäischen Richtlinie Leiharbeit bis zum 5. 12. 2011, andererseits jedoch auch die teilweise sehr intensive Berichterstattung über vermeintliches Lohndumping durch Leiharbeit. Aber auch die vollumfängliche Geltung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für acht osteuropäische EU-Mitgliedstaaten zum 1. 5. 2011 hat den Gesetzgeber dazu bewogen, das AÜG zu überarbeiten.
Ein Baustein der Gesetzes-Reform ist die Neufassung von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, wonach die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher nunmehr „vorübergehend“ erfolgen muss. Im Gegensatz dazu war es bisher zulässig, Arbeitnehmer unbefristet zu überlassen. Mit der zeitlichen Einschränkung auf eine vorübergehende Überlassung verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, zu verhindern, dass Stammarbeitnehmer eines Betriebs durch Leiharbeitnehmer substituiert werden.
Leider hat es der Gesetzgeber – sei es unbewusst oder bewusst – versäumt, den Begriff „vorübergehend“ zu definieren. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um die einzige Unsicherheit, mit der der Gesetzgeber den Anwender des Gesetzes allein lässt.
So besteht u.a. auch Unklarheit darüber, ob dem Betriebsrat im Entleiherbetrieb ggf. das Recht zusteht, die Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern wegen nicht vorübergehender Beschäftigung zu verweigern. Ein solches Recht wird dem Betriebsrat in Teilen der juristischen Literatur mit dem Hinweis zugesprochen, der Betriebsrat sei berechtigt, einem Einsatz von Leiharbeitnehmern zu widersprechen, der darauf abziele, einen Dauerarbeitsplatz rechtsmissbräuchlich mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzen.
Inzwischen liegt eine erstinstanzliche arbeitsgerichtliche Entscheidung vor, die dem Betriebsrat ein solches Recht verweigert. Insbesondere stellt § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG hiernach keine Verbotsnorm i. S. von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG dar. Gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme (z.B. Einsatz eines Leiharbeitnehmers) ablehnen, wenn die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde.
Der genannten erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts Leipzig (Beschlussverfahren), datierend vom 15. 2. 2012, liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Bei der antragstellenden Arbeitgeberin handelt es sich um ein Unternehmen der Automobilindustrie mit mehreren zehntausend Beschäftigten an unterschiedlichen Standorten. Sie beabsichtigte, im Werk Leipzig zum 1. 1. 2012 über 30 Leiharbeitnehmer als Produktionsmitarbeiter einzusetzen. Die Leiharbeitnehmer waren bereits zuvor bis zum 31. 12. 2011 im Werk Leipzig beschäftigt gewesen. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur Einstellung der Leiharbeitnehmer, weil eine nicht mehr nur vorübergehende Überlassung und damit ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG vorläge. Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung zur Einstellung.
Das Arbeitsgericht Leipzig hielt den Antrag der Arbeitgeberin für begründet. Die beabsichtigte Einstellung der Leiharbeitnehmer verstoße nicht gegen ein Verbotsgesetz i. S. von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Voraussetzung für einen solchen Verstoß wäre, dass
- – § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG eine Verbotsnorm enthalte,
- – der Zweck der Verbotsnorm nur durch Verhinderung der Einstellung erreicht werden könne und
- – die beabsichtigte Einstellung gegen das etwaige Verbot verstoße.
Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG untersage die dauerhafte Einstellung von Leiharbeitnehmern nicht mit hinreichender Deutlichkeit. Die Grenze einer zulässigen Überlassungsdauer sei der Vorschrift nicht zu entnehmen. Ihr komme lediglich klarstellende Bedeutung bzgl. des Begriffs „Leiharbeit“ zu. Dies folge aus der Begründung zum Entwurf des AÜG vom 17. 2. 2009. Der Gesetzgeber habe den Begriff „vorübergehend“ danach als flexible Zeitkomponente verstanden und insbesondere auf genau bestimmte Höchstüberlassungsfristen verzichtet. Selbst wenn man aber von einem Verbot der nicht vorübergehenden Überlassung ausgehe, sei nicht ersichtlich, dass bei einem Verstoß der Zweck der Norm nur durch die Verhinderung der Einstellung erzielt werden könne. Eine solche Sanktion sehe das AÜG nicht vor.
Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des Arbeitsgerichts Leipzig in Rechtskraft erwächst und wie ggf. die höheren Instanzen entscheiden, sofern Rechtsmittel eingelegt werden.