Bei Gesellschaften, bei denen die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist und bei denen demzufolge keine natürliche Person unbeschränkt für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet, werden Gläubiger der Gesellschaft primär durch die Vorschriften über die Kapitalaufbringung geschützt. So haben etwa im Falle der GmbH, die Gesellschafter die Gesellschaft mindestens mit einem Stammkapital i. H. von 25.000 € auszustatten (§ 5 Abs. 1 GmbHG). Häufig allerdings wird dieses Mindeststammkapital zur Finanzierung der der Gesellschaft zugedachten Geschäftstätigkeit nicht ausreichen. Die Gesellschafter können der Gesellschaft dann von vornherein ein höheres Stammkapital in der benötigten Höhe zur Verfügung stellen. Genauso gut können sie der Gesellschaft die benötigten Gelder jedoch auch als Fremdkapital zur Verfügung stellen. Dabei kommen grundsätzlich zwei Varianten in Betracht: Zum einen können die Gesellschafter selber der Gesellschaft ein Darlehen gewähren, zum anderen können sie einen dritten Darlehensgeber – insbesondere eine Bank – veranlassen, dies zu tun. Da jener Dritte einer Gesellschaft mit beschränktem Haftungsfundus jedoch regelmäßig ohne Sicherheiten kein Darlehen gewähren wird, ist die Darlehensgewährung durch den Dritten typischerweise durch die Gesellschafter – dann häufig in Form einer Bürgschaft – zu besichern.
Seit jeher behandelt die Rechtsprechung den Gesellschafter in beiden Fällen typischerweise schlechter als einen nicht an der Gesellschaft beteiligten dritten Gläubiger bzw. Sicherungsgeber. Nach den sog. Rechtsprechungsregeln (vgl. etwa BGHZ 90 S. 370 = DB 1984 S. 1338) wurden sowohl das in der Krise durch den Gesellschafter gewährte oder jedenfalls nicht rechtzeitig „abgezogene“ Darlehen wie auch eine durch den Gesellschafter gestellte Sicherheit für einen dritten Kreditgeber als „eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistung“ behandelt. Gem. § 31 GmbHG war nach dieser Rechtsprechung ein dem Gesellschafter gleichwohl zurückgezahltes Darlehen von der Gesellschaft (i. d. R. dann durch den späteren Insolvenzverwalter geltend gemacht) rückforderbar. Hatte der Gesellschafter stattdessen ein der Gesellschaft durch einen Dritten gewährtes Darlehen aus seinem eigenen Vermögen besichert, hatte er analog § 31 GmbHG im Falle der Rückführung des Darlehens aus Gesellschaftsmitteln der Gesellschaft den dazu aufgewandten Betrag zu erstatten. Gleiches galt im Falle einer sog. „Doppelsicherheit“, wenn also Gesellschafter und Gesellschaft die Forderung eines Dritten besichert hatten und die Rückführung der Darlehensforderung durch Verwertung der durch die Gesellschaft gestellten Sicherheit erfolgte und der Gesellschafter insoweit frei wurde. Seit mit dem Inkrafttreten des MoMiG die Rechtsprechung des BGH zu den kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen durch den Gesetzgeber endgültig suspendiert (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG) und durch eine rein anfechtungsrechtliche Regelung in § 135 Abs. 1 und 2 InsO ersetzt worden war, kamen Zweifel am Fortbestand des Grundsatzes der vorrangigen Inanspruchnahme der Gesellschafterleistung in denjenigen Fallkonstellationen auf, in denen die Doppelsicherheit zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch fortbestand. Wurde nämlich nach Insolvenzeröffnung die durch die Gesellschaft gestellte Sicherheit verwertet und wurden dadurch die Forderungen des Gläubigers zurückgeführt und im wirtschaftlichen Endergebnis somit der Gläubiger aus der Haftung der von ihm gestellten Sicherheit befreit, so schien die durch den Gesetzgeber nunmehr allein zur Verfügung gestellte Möglichkeit der Anfechtung gem. § 135 Abs. 2 InsO zu versagen, da eine Insolvenzanfechtung grundsätzlich nur bzgl. Rechtshandlungen möglich ist, die vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind (§ 129 Abs. 1 InsO; s. so ausdrücklich OLG Hamm, Urteil vom 29. 12. 2010 – I-8 U 85/10, NZI 2011 S. 251). Genau diese Konstellation lag auch der aktuellen Entscheidung des OLG Stuttgart vom 14. 3. 2012 – 14 U 28/11, DB 2012 S. 1031 zugrunde. Zu allem Überfluss hatte die durch die Doppelsicherheit gesicherte Bank auch noch erklärt, nach Verwertung der Gesellschaftssicherheit gegen Zahlung eines Pauschalbetrages i. H. von 30.000 € auf die Inanspruchnahme des Gesellschafters aus der Bürgschaft verzichten zu wollen, was der Gesellschafter dankend annahm. Die Aufforderung des Insolvenzverwalters, ihm die durch den Insolvenzverwalter aus der Verwertung der Gesellschaftssicherheit an die Bank gezahlten Beträge i. H. von ca. 140.000 € zu erstatten, lehnte der beklagte Gesellschafter daher ab, da zum einen eine Anfechtung mangels Rechtshandlung vor Insolvenzeröffnung nicht vorläge und er darüber hinaus auch nicht durch die Zahlung des Insolvenzverwalters, sondern durch den Vergleich mit der Bank von seiner eigenen Haftung frei geworden sei. In Übereinstimmung mit einer kürzlich ergangenen Entscheidung des BGH-Urteil vom 1. 12. 2011 – IX ZR 11/11, DB 2011 S. 2832 entschied das OLG Stuttgart unter Hintanstellung dogmatischer Bedenken, dass hier eine Regelungslücke vorliege, die durch analoge Anwendung der Anfechtungsvorschriften der §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO zu schließen sei. Auch die Tatsache, dass die Bank auf die Inanspruchnahme des Gesellschafters verzichtet habe, ändere daran nichts. Wie bereits zu Zeiten der Geltung der Rechtsprechungsregeln analog §§ 30, 31 GmbHG allgemein anerkannt, entspräche es auch dem neuen, durch das MoMiG eingeführten Recht, dass der Gesellschafter durch den Verzicht des Gläubigers auf die Inanspruchnahme von dem Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters nicht befreit werden könne. Diese Entscheidung des OLG ist richtig denn die Annahme der Erstattungspflicht des Gesellschafters gem. § 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 InsO setzt geradezu voraus, dass der Gläubiger auf eine (primäre) Inanspruchnahme des Gesellschafters verzichtet und zunächst die Gesellschaftssicherheit in Anspruch nimmt. Bereits diese Entscheidung des Gläubigers belastet die Insolvenzmasse zugunsten des Gesellschafters. Ob dann im Hinblick auf die Gesellschaftersicherheit der Gläubiger vor oder nach Verwertung der Gesellschaftssicherheit eine formelle Freigabe erklärt – die sich wirtschaftlich nicht mehr auswirkt –, kann dann keine Rolle spielen. Anders wäre allerdings dann zu entscheiden, wenn nach Verwertung der Gesellschaftssicherheit immer noch eine die Sicherheitsleistung des Gesellschafters übersteigende – auch gegen diesen gerichtete – Forderung des Gläubigers übrig bliebe. Hätte z. B. die gegen die Gesellschaft gerichtete Darlehensforderung 500.000 € betragen, der Gesellschafter eine Höchstbetragsbürgschaft i. H. von 250.000 € abgegeben und die Gesellschaft zur Sicherung dieser Forderung eine Grundschuld bestellt, deren Verwertung 100.000 € ergeben hätte, so bliebe danach noch ein Anspruch des Gläubigers i. H. von 400.000 € übrig. Der Gesellschafter haftete insoweit nach wie vor i. H. von 250.000 € und hätte durch die Verwertung keine Befreiung erlangt. Verzichtete jetzt die Bank auf die Geltendmachung ihrer Forderung aus der Bürgschaftserklärung des Gesellschafters, so beruhte dies in der Tat ausschließlich auf dem Verzicht der Bank, sodass ein entsprechender Ausgleichsanspruch der Insolvenzmasse nicht angemessen wäre. In der durch das OLG Stuttgart entschiedenen Regelkonstellation kann sich der Gesellschafter allerdings seiner Einstandspflicht nicht entziehen. Für ihn gilt daher: mitgegangen, mitgefangen.