Mit Urteil vom 3. 4. 2012 – XI ZR 39/11, DB 2012 S. 1144, hatte der BGH erneut Gelegenheit sich zur konkludenten Genehmigung von Lastschriftbuchungen auf einem Bankkonto zu äußeren. Insbesondere im Rahmen der Insolvenz eines Vertragspartners besteht häufig Unsicherheit darüber, welche Zahlungen, die im Lastschriftverfahren realisiert werden konnten, Bestand haben und welche durch einen pauschalen Widerruf eines vorläufigen Insolvenzverwalters rückgängig gemachten werden können. Seit den Grundsatzentscheidungen des BGH vom 20. 7. 2010 – IX ZR 37/09, DB 2010 S. 1814, und XI ZR 236/07, DB 2010 S. 1817) gilt für die Beständigkeit der Einzugsermächtigungslastschrift Folgendes:
– Die Lastschrift wird erst durch die Genehmigung des Kontoinhabers wirksam (sog. „Genehmigungstheorie“). Erst mit der Genehmigung tritt die Erfüllungswirkung gegenüber dem Zahlungsempfänger ein und erhält die kontoführende Bank des Schuldners einen Aufwendungsersatzanspruch.
– Ein pauschaler Widerruf noch nicht genehmigter Lastschriften durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter/Treuhänder ist insoweit unwirksam, wie die Lastschrift unter Verwendung unpfändbaren Schuldnervermögens eingelöst wurde (BGH vom 20. 7. 2010 – IX ZR 37/09, DB 2010 S. 1814).
– Die Genehmigungsfiktion gem. Nr. 7 Abs. 3 AGB Banken bzw. Sparkassen gilt auch gegenüber dem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter (BGH vom 20. 7. 2010 – XI ZR 236/07, DB 2010 S. 1817).
– Bereits vor Eintritt der Genehmigungsfiktion ist eine – auch konkludente – Genehmigung gezogener Lastschriften durch den Schuldner möglich.
Wann nun eine konkludente Genehmigung vorliegt, blieb in der Praxis aber weiter umstritten. Der BGH hatte hierzu lediglich ausgeführt: „Eine konkludente Genehmigung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es sich für die Zahlstelle erkennbar um regelmäßig wiederkehrende Lastschriften aus Dauerschuldverhältnissen, laufenden Geschäftsbeziehungen oder zum Einzug von wiederkehrenden Steuervorauszahlungen handelt. Erhebt der Schuldner in Kenntnis eines erneuten Lastschrifteinzugs, der den bereits genehmigten Betrag nicht wesentlich übersteigt, gegen diesen nach einer angemessen Überlegungsfrist keine Einwendungen, kann auf Seiten der Zahlstelle die berechtigte Erwartung entstehen, auch diese [weitere, strittige] Belastungsbuchung solle Bestand haben“. Unklar blieb dabei insbesondere was „regelmäßig wiederkehrend“ und „angemessene Überlegungsfrist“ bedeutet.
Eine erste Konkretisierung erfolgte durch die Entscheidung vom 1. 12. 2011 – IX ZR 58/11, DB 2012 S. 226. Gegenständlich waren hier betragsmäßig stark schwankende Abbuchungen (600 bis 1000 €) einer Krankenkasse. Das Berufungsgericht hatte deshalb die konkludente Genehmigung eines Einzugs von 877 € mangels gleichlautender, vorheriger Abbuchungen ausgeschlossen. Dem widersprach der BGH unter Hinweis darauf, dass der Schuldner die Beiträge selbst erklärt habe (§ 28f Abs. 3 SGB IV) und deswegen zu erwarten sei, dass er die Belastungsbuchungen zeitnah überprüft und gegebenenfalls unverzüglich Widerspruch erhebt. Als Überlegungsfrist seien allenfalls 14 Tage angemessen.
Vor diesem Hintergrund ist die hier darzustellende Entscheidung des BGH vom 3. 4. 2012 zu betrachten. Nach dieser Entscheidung kommt die konkludente Genehmigung von Lastschriften in folgenden Konstellationen in Betracht:
– Zunächst kann die konkludente Genehmigung dadurch erfolgen, dass der Bankkunde durch konkrete Einzahlungen für Kontodeckung sorgt (so bereits BGH vom 26. 10. 2010 – XI ZR 562/07 , DB 2010 S. 2724 und vom 25. 10. 2011 – XI ZR 368/09, DB 2011 S. 2906). Dabei ist es unerheblich, ob die Deckung vorher, gleichzeitig oder (kurz) danach erfolgt. Über diesen Ansatz geht der BGH nun hinaus: Nunmehr kann auch eine Liquiditätszufuhr zum durch die Einzugsermächtigungen belasteten Konto in größeren Beträgen und dementsprechend ohne konkrete Verbindung zu einzelnen Lastschriften eine konkludente Genehmigung enthalten. Maßgeblich ist auch insoweit, dass bzw. ob die Zahlstelle des Schuldners die Zuführung von Liquidität als Genehmigung verstehen konnte. Das sei u. a. deshalb der Fall, weil der Schuldner sich anderenfalls durch Lastschriftwiderruf einfacher Liquidität hätte besorgen können.
– Des Weiteren kann sich eine konkludente Genehmigung dadurch ergeben, dass der Lastschrift entweder eine eigene Anmeldung des Schuldners (Sozialversicherungsbeiträge, Umsatzsteuer) oder aber ein „Tarifwerk“, aus dem sich der eingezogene Betrag automatisch ergibt (etwa bei Entgelten für Telekommunikationsdienstleistungen), zu Grunde liegt. Hier gebe es eine erhöhte Richtigkeitsgewähr für die Lastschrift, so dass es dem Schuldner innerhalb kurzer Zeit möglich und zumutbar sei, die Richtigkeit zu überprüfen. Für diese Fallgruppe sei eine Prüfungsfrist von 3 Bankarbeitstagen nicht sachfremd.
– Schließlich ist auch die konkludente Genehmigung sonstiger Lastschriften möglich. Voraussetzung ist, dass diese regelmäßig und in gewisser Bandbreite, d. h. nicht lediglich anlassbezogen, erfolgen. Eine konkludente Genehmigung dieser Lastschriften, zu denken ist hier etwa an Entgelte für vom Schuldner bezogene Lieferungen und Leistungen, setzt im kaufmännischen Verkehr lediglich voraus, dass zumindest eine derartige Lastschrift bereits vorher vom Schuldner genehmigt wurde (bei Verbrauchern greift diese Fiktion erst nach zwei monatlichen, im Wesentlichen gleich hohen Abbuchungen: BGH vom 3. 5. 2011 – XI ZR 152/09, DB 2011 S. 1572). Die Genehmigung dieser vorhergehenden Lastschriften kann ihrerseits wiederum konkludent erfolgt sein. Innerhalb welcher Frist die Genehmigung dann mangels Widerspruch eintritt, ist allerdings noch offen. Der BGH spricht auch in seiner jüngsten Entscheidung insoweit nur von „zeitnah“.
Unabhängig davon, in welcher Variante, kann eine konkludente Genehmigung, wie auch der Eintritt der Genehmigungsfiktion gem. Nr. 7 Abs. 3 AGB, nicht mehr erfolgen, sobald ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt (oder gar ein allgemeines Verfügungsverbot ausgesprochen) ist.
Der Entscheidung ist nur teilweise zuzustimmen. Richtig erscheint zunächst, dass ein Schuldner, der das Konto in Absprache mit der Bank oder durch schlichtes zur Verfügung stellen von Liquidität so führt, dass Lastschriften (gerade noch) ausgeführt werden könne, diese konkludent genehmigt. Es erscheint auch keineswegs gekünstelt, in der zur Verfügungstellung von Liquidität, was zunächst eher ein Realakt ist, einen begleitenden bzw. überschießenden Erklärungswert zu sehen. Der Schuldner will dadurch regelmäßig sicherstellen, dass die Lastschriften angenommen und nicht returniert werden, zielt also auf ein Verhalten seines Kreditinstituts.
Gerade dieses lässt sich hingegen von den anderen Fallgruppen konkludenter Genehmigung nicht sagen. Auch wenn Einzüge auf Grund eigener Erklärung des Schuldners oder eines Tarifwerks sicherlich eine erhöhte Richtigkeitsgewähr haben, ist in diesem Zusammenhang doch weit und breit keine Erklärung des Schuldners an sein Kreditinstitut zu sehen. Hier gleichwohl von einer Genehmigung der Belastung auszugehen, heißt nichts anderes, als letztlich eben doch dem schlichten Weiterbenutzen des Kontos einen Erklärungswert beizumessen, den es angeblich (ständige Rechtsprechung des BGH) und nach der hinter Nr. 7 Abs. 3 AGB Banken/Sparkassen stehenden Logik gerade nicht hat.
Somit bleibt als Rechtfertigung für diese Fallgruppen lediglich das gewünschte praktische Ergebnis, Lastschriftrückgaben in großer Zahl durch Insolvenzverwalter zu vermeiden. Ob sich das Problem allerdings auch unter Berücksichtigung der nunmehr erweiterten Genehmigung kraft Kontoausgleich (siehe oben) noch in der befürchteten Schärfe stellt, wage ich zu bezweifeln. Die zukünftige Rechtsprechung sollte auf diesen Begründungsweg daher möglichst verzichten.
Völlig unverhältnismäßig erscheint schließlich die Prüfungs- und Überlegungsfrist von 3 Bankarbeitstagen. Diese Frist verkennt völlig unternehmensinterne Arbeitsabläufe. Gerade in nicht ganz kleinen Unternehmen erfolgt die Prüfung der Richtigkeit von Belastungen nicht isoliert, sondern im Rahmen der Verbuchung der Kontoauszüge. Dieses geschieht in der Regel nie Tag genau. Alleine der (in weiten Teilen immer noch gebräuchliche) Postversand der Kontoauszüge führt regelmäßig zu einem Versatz von 2 Bankarbeitstagen. Rechnet man auch nur, und das dürfte gerade bei krisenbefangenen Unternehmen schon ein „Spitzenwert“ sein, mit einer unternehmensinternen Verzögerung von nur weiteren 2 Bankarbeitstagen, ist die Widerspruchsfrist von 3 Bankarbeitstagen bereits verstrichen. In der betrieblichen Praxis setzt allerdings erst nach der Verbuchung und der dabei (unter Umständen!) aufgefallenen Abweichung zu dem, was eigentlich richtig wäre, der Fehler-Workflow, d. h. die sachliche Klärung der Differenz ein. Je nach Gestaltung sind auch hierfür sicherlich mehrere Arbeitstage anzusetzen. Eine ordnungsgemäße Prüfung erfolgter Belastungen ist also innerhalb der vom BGH nun akzeptierten Frist gar nicht möglich. Die Frist erscheint sogar so grob fehlerhaft, dass dies an Willkür grenzt. Eher angemessen erscheint die vom IX. Senat des BGH (Urteil vom 1. 12. 2011 – IX ZR 58/11, DB 2012 S. 226) angesetzte 14-Tage-Frist.
Zustimmung verdient die Entscheidung hingegen wieder insoweit, als sie die Anfechtbarkeit der Lastschrift gegenüber der Bank, die sich insoweit auf ihre Rolle als Zahlstelle beschränkt, auch unter dem Aspekt des § 132 Abs. 2 InsO ablehnt. Völlig zu Recht führt das Gericht hierzu aus, dass nach einhelliger Ansicht die mögliche Deckungsanfechtung gegenüber dem befriedigten Gläubiger, die Anfechtung gegenüber dem Kreditinstitut sperrt.