Stimmverbot: Richten in eigener Sache bei gemeinsamen Verfehlungen

RA Horst Grätz, Partner, Rödl & Partner, Nürnberg

Geht es um die eigene Verfehlung eines Gesellschafter-Geschäftsführers, liegt auf der Hand, dass er bei der Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen ihn aufgrund dieser Verfehlung befangen ist und einem Stimmverbot unterliegt. Was jedoch, wenn ein solcher Beschluss über ein Fehlverhalten eines anderen Geschäftsführers gefasst wird und dem Gesellschafter-Geschäftsführer Mittäterschaft in derselben Angelegenheit zur Last gelegt wird? Ist er stimmberechtigt, weil eigentlich nur gegen eine andere Person vorgegangen werden soll, oder ist er nicht stimmberechtigt, weil ihn eigentlich derselbe Vorwurf trifft? Diese Frage hat jüngst der BGH zu beantworten gehabt.

Für die GmbH ist der Grundgedanke des Stimmverbots wegen Richtens in eigener Sache in § 47 Abs. 4 GmbHG gesetzlich geregelt. Hiernach sind Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn sie durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden sollen. Der Gedanke des Verbots des Richtens in eigener Sache ist jedoch genereller Natur, sodass Stimmverbote analog auch im Personengesellschaftsrecht gelten. Dementsprechend unterliegt der betroffene Gesellschafter bei der Beschlussfassung der Gesellschafter über seine Entlastung, die Einleitung eines Rechtsstreits oder die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen ihn selbst einem Stimmverbot.

In dem vom BGH nun entschiedenen Fall (Urteil vom 7. 2. 2012 – II ZR 230/09, DB 2012 S. 1086) ging es jedoch um eine besondere Konstellation, nämlich die Beschlussfassung über eine vom Gesellschafter-Geschäftsführer (A) und dem Mitgeschäftsführer (B) gemeinschaftlich begangene Verfehlung in Form eines gemeinschaftlichen Unterlassens von schadensabwendenden Maßnahmen zugunsten der Gesellschaft.

Anlässlich dessen wollten die Gesellschafter einen Beschluss fassen über die Beauftragung eines Rechtsgutachters zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer (B). Einen solchen Beschluss über die bloße Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer (B) stellte der BGH der tatsächlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gleich und bejahte bereits bei einer solchen Vorbereitung die grundsätzliche Geltung des Stimmverbots, da die Haftung nicht bereits im Vorfeld vereitelt werden sollte.

Den Gesellschafter-Geschäftsführer (A) sah er bei dieser Abstimmung als befangen an, obwohl das Gutachten primär auf die Haftung des Mitgeschäftsführers (B) ausgerichtet war. Der BGH bestätigte damit, dass ein Gesellschafter auch dann von der Abstimmung ausgeschlossen ist, wenn der Beschlussgegenstand eine Verfehlung eines Mitgeschäftsführer ist, die der Gesellschafter gemeinsam mit diesem begangen haben soll. Wenn es um den Vorwurf gemeinsamer Verfehlungen gehe, sei die gegen einen Mittäter erhobene Beschuldigung auch „eigene Sache“ des anderen Beteiligten.

Der BGH betonte hierbei ausdrücklich, dass ein solcher Interessenkonflikt nicht nur dann vorliege, wenn die Beteiligten die pflichtwidrige Maßnahme vorher miteinander abgestimmt und die Pflichtverletzung einvernehmlich begangen haben. Auch einfache übereinstimmende Verhaltensweisen bezüglich eines Unterlassens können genügen. Ein gemeinsames Begehen der Pflichtverletzung durch übereinstimmende Verhaltensweisen liege bereits dann vor, wenn beide Beteiligten gleichzeitig schadensabwendende oder –mindernde Maßnahmen zum Schutze der Gesellschaft unterlassen haben, obwohl sie jeder für sich dazu verpflichtet gewesen wären. In einem solchen Fall könne davon ausgegangen werden, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer (A) die Vorwürfe gegen den anderen Geschäftsführer (B) nicht unbefangen beurteilen könne, weil sie ihn selbst gleichermaßen treffen, und er deshalb zum Richter in eigener Sache werde.

Das Urteil betrifft daher den Fall einer mittelbaren Beeinflussung des Abstimmungsverhaltens des Gesellschafter-Geschäftsführers. Er gilt als befangen, obwohl nicht sein eigenes Fehlverhalten Beschlussgegenstand ist, sondern das eines anderen, sodass er nur indirekt vom Abstimmungsergebnis betroffen ist.

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