Geschäftsführerpflichten in der Unternehmenskrise

RA Rainer Schaaf, Partner, Rödl & Partner, Nürnberg

Der BGH hat mit seinem Urteil vom 27. 3. 2012 – II ZR 171/10, DB 2012 S. 1320 den Sorgfaltsmaßstab konkretisiert, an dem ein Geschäftsführer im Fall der Krise sein Verhalten auszurichten hat. Er entschied, dass ein Geschäftsführer einer GmbH, der nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, um selbst zu prüfen, ob er Insolvenzantrag für die Gesellschaft stellen muss, sich unverzüglich von einer unabhängigen, fachlich qualifizierten Person beraten lassen muss. Dieser Person gegenüber muss er die Verhältnisse der Gesellschaft umfassend darstellen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Er muss nicht nur unverzüglich den Beratungsauftrag erteilen, sondern auch auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfungsergebnisses hinwirken.

In dem zugrunde liegenden Fall klagte der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH gegen deren früheren Geschäftsführer und verlangte Ersatz für Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleistet wurden. Der damalige Geschäftsführer hatte im August 2003 eine Unternehmensberaterin mit der Prüfung der Vermögenslage und der Sanierungsmöglichkeiten beauftragt. Im November 2003 gab die Beraterin eine positive Fortführungsprognose ab. Dennoch war der Geschäftsführer bereits am 12. 12. 2003 gezwungen, Insolvenzantrag zu stellen. Im Februar 2004 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Allerdings hatte der Geschäftsführer im Zeitraum von 31. 8. 2002 bis 30. 11. 2003 noch (Bar-)Zahlungen veranlasst. Nach Auffassung des Klägers erfolgten diese Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und unter der schuldhaften Verletzung der dem Beklagten als Geschäftsführer obliegenden Pflichten.

Grundsätzlich haftet der Geschäftsführer gem. § 64 Satz 1 GmbHG für die Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden, sofern die Zahlungen nach diesem Zeitpunkt nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. Die Haftung setzt ein Verschulden voraus, wobei einfache Fahrlässigkeit genügt. Die Rechtsprechung stellt hierbei zulasten des Geschäftsführers die Vermutung auf, dass er im Fall der Leistung von Zahlungen in der Krise nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt und damit schuldhaft gehandelt hat und dass die Insolvenzreife des Unternehmens für ihn erkennbar war. Um der Haftung zu entgehen, muss der Geschäftsführer sich entlasten und das vermutete Verschulden widerlegen.

Nach Ansicht des Gerichts gelang es dem Geschäftsführer jedoch nicht, die Vermutung mit der Beauftragung der Unternehmensberaterin mit der Prüfung der Vermögenslage und den Sanierungsmöglichkeiten zu widerlegen.

Von einem Geschäftsführer werde erwartet, dass er sich stets über die wirtschaftliche Lage der GmbH vergewissert. Dazu gehöre insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife und der Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags. Erkennt er, dass die Gesellschaft zu einem bestimmten Stichtag nicht in der Lage sein wird, ihre fälligen Verbindlichkeiten vollständig zu bedienen, hat er mithilfe einer Liquiditätsbilanz die Zahlungsfähigkeit zu überprüfen. Verfügt er hierfür nicht über ausreichende Kenntnisse, habe er sich unverzüglich von einer unabhängigen, fachlich qualifizierten Person beraten zu lassen und diese mit den notwendigen Informationen und Unterlagen zu versorgen. Das Ergebnis der Beratung habe er zudem einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen.

Eine Beratung hatte der Geschäftsführer im vorliegenden Fall zwar in Anspruch genommen. Der Vorwurf konzentrierte sich jedoch darauf, dass er zum einen nicht explizit die Insolvenzreife prüfen ließ, sondern bloß allgemein die Vermögenslage und die Sanierungsmöglichkeiten. Mit einem anderweitigen Prüfungsauftrag kann sich der Geschäftsführer nach Ansicht des BGH nur entlasten, wenn er sicher sein kann, dass der Prüfer die Frage der Insolvenzreife vorab und unverzüglich prüfen werde. Zum anderen wurde ihm vorgeworfen, dass er das Prüfungsergebnis nicht früher eingefordert hat. Der BGH stellte ausdrücklich klar, dass die unverzügliche Auftragserteilung nicht ausreiche, vielmehr müsse er auch auf die unverzügliche Vorlage des Prüfungsergebnisses hinwirken.

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