Kein Schadensersatz für Geschäftsführer nach außerordentlicher Kündigung

RA Horst Grätz, Partner, Rödl & Partner, Nürnberg

Der BGH hat am 6. 3. 2012 (Az. II ZR 76/11, DB 2012 S. 973) entschieden, dass ein Geschäftsführer einer GmbH keinen Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft hat, wenn er selbst wegen einer massiven Beschränkung seiner Kompetenzen außerordentlich kündigt.

 Im zugrundeliegenden Fall waren der klagende Geschäftsführer und seine Ehefrau Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Nachdem beide sämtliche ihrer Geschäftsanteile an eine andere Gesellschaft, eine GmbH & Co. KG, verkauft und abgetreten hatten, waren beide weiterhin als Geschäftsführer in der Gesellschaft tätig. Beide schlossen für die Laufzeit von fünf Jahren einen neuen Anstellungsvertrag, wonach sie die Geschäfte „selbstständig“ und „verantwortlich“ führen sollten.

 Die neue Gesellschafterin lagerte allerdings in der Folgezeit wichtige Abteilungen der GmbH auf andere Konzernunternehmen aus. Dies führte zu Meinungsverschiedenheiten: die Geschäftsführer sahen dies als Verletzung ihrer durch den Anstellungsvertrag verliehenen Kompetenzen an, da ihnen ein deutlich geringerer Tätigkeitsbereich verblieb. Zusätzlich wurde ein weiterer Geschäftsführer bestellt. Hierbei handelte es sich um den Geschäftsführer der Komplementärin der Gesellschafterin. Aufgrund der neu erlassenen Geschäftsordnung sollte der neue Geschäftsführer Alleinvertretungsmacht besitzen und die Gesamtverantwortung tragen, wohingegen der Kläger und seine Frau nicht mehr alleinvertretungsberechtigt, dem anderen Geschäftsführer gegenüber weisungsgebunden und lediglich für einen weniger gewichtigen Bereich zuständig sein sollten. Auch die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) wurde entzogen – insgesamt ein typischer Fall von Entmachtung eines unbequemen Geschäftsführers.

 Der Kläger kündigte daraufhin seinen Anstellungsvertrag fristlos. Er verlangte von der Gesellschaft Schadensersatz in Höhe seiner Vergütungsansprüche bis zum regulären Ende seines Anstellungsvertrages. Grundsätzlich steht dem außerordentlich Kündigenden ein Schadensersatzanspruch gegen seinen Vertragspartner zu, wenn dieser den außerordentlichen Kündigungsgrund aufgrund einer Pflichtverletzung schuldhaft herbeigeführt hat (§ 628 Abs. 2 BGB).

 Der BGH verneinte jedoch eine Pflichtverletzung aufgrund der genannten Maßnahmen und lehnte einen Schadensersatzanspruch ab. Ein vertragswidriges Verhalten von Seiten der Gesellschaft liege nicht vor. Die Gesellschaft sei sowohl nach dem Anstellungsvertrag als auch nach dem Organisationsrecht der GmbH berechtigt, die Kompetenzen ihres Geschäftsführers neu zu ordnen und seine Zuständigkeiten zu begrenzen.

 Der Anstellungsvertrag sehe keine Einzelvertretungsbefugnis vor. Ebenso sei darin die Möglichkeit für die Gesellschafterversammlung geregelt, eine Geschäftsordnung zu erlassen, sowie ein jederzeit verlängerbarer Katalog zustimmungspflichtiger Rechtsgeschäfte.

 Die Satzung, die ein Sonderrecht für den Kläger und seine Frau zur Absicherung des bisherigen status quo ihrer Geschäftsführertätigkeit vorsah, stehe ebenfalls nicht entgegen. Zum einen sei das Sonderrecht durch den Verkauf der Geschäftsanteile weggefallen, da Sonderrechte bezüglich der Geschäftsführung nur zugunsten von Gesellschaftern begründet werden können. Zum anderen sei in dem Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag ausdrücklich geregelt worden, dass diese Sonderrechte nicht fortbestehen sollten.

 Offen ließ der BGH, ob es unentziehbare Kernaufgaben für Geschäftsführer gibt, die einer Ressortverteilung unzugänglich sind. Nicht eindeutig äußerte er sich auch in Bezug auf die Weisungsbefugnis eines Geschäftsführers gegenüber einem anderen. Eine solche Weisungsbefugnis hielt er zwar grundsätzlich für bedenklich. Im vorliegenden Fall sei die Weisungsbefugnis jedoch nicht zu beanstanden, weil der weisungsbefugte Geschäftsführer zugleich Alleingeschäftsführer der Komplementärin der Alleingesellschafterin, der GmbH & Co. KG, sei. Über diese Position sei er zugleich Vertreter der Gesellschafterin selbst und könne ohnehin die Weisungsbefugnisse ausüben, die der Alleingesellschafterin gegenüber den Geschäftsführern zustehen.

 Praktisch gesehen bedeutet dies, dass die Interessen der Gesellschaft in Bezug auf die Art und Weise der Führung ihrer Geschäfte das Interesse des Geschäftsführers an der Erhaltung seiner Stellung überwiegen, zumindest wenn es sich um einen Fremdgeschäftsführer handelt. So ärgerlich diese Entmachtung für ihn auch sein mag, er muss sie hinnehmen. Interessant wäre die Frage gewesen, ob eine Pflichtverletzung vorgelegen hätte, wenn derartige Kompetenzen dienstvertraglich abgesichert worden wären. Aus Sicht der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter ist daher von derartigen Zugeständnissen in Anstellungsverträgen abzuraten.

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