Im Rahmen von insgesamt drei Gesetzgebungsvorschlägen hat die Europäische Kommission am 3. 7. 2012 einen Vorschlag für eine Verordnung über Basisinformationsblätter für Anlageprodukte veröffentlicht. Ziel ist die Verbesserung der Transparenz für Kleinanleger auf dem Anlagemarkt.
Bisher bestehen je nach Branche und nationaler Regulierung unterschiedliche Anforderungen. So gibt es in Deutschland gegenwärtig drei verschiedene gesetzliche Regelungen zu Produktinformationsblättern: Das PIB für Finanzinstrumente unter dem Wertpapierhandelsgesetz (z. B. für Aktien oder Anleihen), das VIB für Vermögensanlagen unter dem Vermögensanlagengesetz (z. B. für Unternehmensbeteiligungen oder Anteile an geschlossenen Fonds), sowie die wesentlichen Anlegerinformationen (KIID) für Anteile an Investmentvermögen unter dem Investmentgesetz.
Der Vorschlag der Europäischen Kommission soll Kleinanleger zukünftig in die Lage versetzen, die grundlegenden Merkmale und Risiken von Anlageprodukten besser zu verstehen und zu vergleichen. Gleichzeitig sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen für die unterschiedlichen Anbieter von Anlageprodukten und für diejenigen, die diese Produkte verkaufen, gewährleistet werden. Dafür sollen europäische Kleinanleger kurze, vergleichbare und standardisierte Informationen (Basisinformationsblatt) erhalten.
Die Verordnung soll – unabhängig von Form oder Konzeption – für alle Produkte gelten, bei denen die Rendite des Anlegers von der Entwicklung eines oder mehrerer Vermögens- oder Referenzwerte, die keine Zinssätze sind, abhängig ist. Erfasst werden sollen insbesondere geschlossene oder offene Investmentfonds (einschließlich OGAW), sämtliche strukturierten Produkte (z. B. „verpackt“ als Versicherungspolice, Fonds, Wertpapier oder Bankprodukt), bestimmte Versicherungsprodukte, die nicht reine Schutzversicherungen sind sowie derivative Finanzinstrumente. Nicht unter die Verordnung fallen dagegen z. B. reine Aktien oder Anleihen, Produkte, deren Rendite im Voraus für die gesamte Laufzeit des Produktes festgelegt ist oder nicht-strukturierte Einlagen, die von einem Zinssatz wie z. B. dem EURIBOR oder LIBOR abhängig sind.
Die Verordnung enthält detaillierte Vorgaben zu Form und Inhalt des Basisinformationsblattes. Die Informationen müssen „richtig, redlich und klar“ sein und dürfen die Anleger nicht in die Irre führen. Verlangt wird eine klare und präzise Sprache. „Jargon“ aus dem Finanzbereich und Fachterminologie soll vermieden werden, wenn stattdessen eine allgemein verständliche Sprache verwendet werden kann. Die Leserlichkeit soll durch eine ausreichende Schriftgröße gewährleistet werden. Die Informationen müssen in einer bestimmten Reihenfolge unter genau vorgegebenen Überschriften präsentiert und fortlaufend aktualisiert werden. Die Verordnung regelt sogar die Verwendung von Farben sowie eines Logos des Produktanbieters.
Das Basisinformationsblatt soll als kurze Unterlage abgefasst werden, eine konkrete Vorgabe zur Seitenzahl enthält die Verordnung jedoch nicht. Das bisher einzige andere auf europäischer Ebene geregelte Produktinformationsblatt – das KIID – sieht im Falle eines strukturierten Fonds maximal drei DIN A4 Seiten als Grenze vor. Angesichts der Tatsache, dass die Verordnung ebenfalls auf strukturierte („verpackte“) Produkte Anwendung findet, könnte eine vergleichbare Regelung zur Anwendung kommen, die sich an den deutschen Regelungen zu PIB und VIB orientiert.
Auch das Basisinformationsblatt löst jedoch nicht den Zielkonflikt, alle für den Investor wesentlichen Risiken und Informationen in einer kurzen und verständlichen Darstellung auf einer limitierten Seitenzahl darzustellen. So muss das Basisinformationsblatt eine wörtlich vorgeschriebene Einführung enthalten, in der sein Sinn und Zweck erläutert wird. Darüber hinaus sind unter ausdrücklich vorgeschriebenen Überschriften in mindestens sechs Abschnitten verschiedene Themen (z. B. Merkmale, Risiken, Funktionsweise und Kosten) zu behandeln; ggf. können maximal drei weitere Abschnitte ergänzt werden. Somit stellt sich wie bei PIB, VIB und KIID das Problem, ob das vorgegebene Ziel in der Praxis erreicht werden kann.
Ein weiteres Novum ist die vorgesehene Umkehr der Beweislast. Der Anlageproduktanbieter soll zukünftig beweisen müssen, dass das Basisinformationsblatt in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben abgefasst wurde. Dem Kleinanleger obliegt es lediglich nachzuweisen, dass ihm der geltend gemachte Schaden infolge der Verwendung der im Basisinformationsblatt enthaltenen Informationen entstanden ist. Die angestrebte Umkehr der Beweislast würde für das deutsche Recht eine Abkehr von den bisherigen Regelungen zur Beweislastverteilung bedeuten.
Da die Pflicht zur Erstellung des Basisinformationsblatts branchen- und produktübergreifend Anbieter aus der Finanz-, Versicherungs- oder Fondsbranche trifft, wird es von großer Bedeutung sein, dass zwischen den verschiedenen Abteilungen einer Aufsichtsbehörde auf nationaler Ebene sowie zwischen den unterschiedlichen Aufsichtsbehörden auf internationaler Ebene eine reibungslose Zusammenarbeit gewährleistet ist. Diese wird nicht nur die einheitliche Auslegung und Anwendung der Verordnung, sondern auch die Anordnung von Sanktionsmaßnahmen betreffen müssen. Die Verordnung sieht ferner vor, dass Sanktionen i. d. R. zu veröffentlichen sein werden. Auch dies ist eine grundsätzliche Neuerung im deutschen Aufsichtsrecht, die für die Produktanbieter erhöhte Reputationsrisiken zur Folge haben wird.
Im Hinblick auf die bereits existierenden Informationsblätter PIB, VIB und KIID wird zukünftig eine genaue Abgrenzung vorzunehmen sein. Dies wird insbesondere für die Produktanbieter zu einer Herausforderung werden, da sich die Vorgaben bzgl. Inhalt und Format teilweise unterscheiden. Aus Kosten, Haftungs- und Praktikabilitätsgründen wird sich daher die Frage stellen, ob die Vorgaben zum Basisinformationsblatt letztlich auch die Ausgestaltung der anderen Produktinformationsblätter beeinflussen werden. Der Kleinanleger wird trotz des Ziels einer Harmonisierung in der Praxis zukünftig mit einem weiteren Informationsblatt konfrontiert sein, was die Übersichtlichkeit zunächst nicht unbedingt fördern dürfte.