„Crisis Management Directive“ – Ein letzter Wille, der es in sich hat

RA Dr. Berthold Kusserow, LL.M. (McGill), Partner, Allen & Overy LLP

Kürzlich veröffentlichte die Europäische Kommission den mit Spannung erwarteten Entwurf einer RL „zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen“, die unter dem Namen „Crisis Management Directive“ (CMD) bekannt wurde. Sie erweitert bereits bestehende Krisenbewältigungstools erheblich und verpflichtet Banken und Finanzdienstleister (Institute), sich präventiv mit möglichen Krisenszenarien auseinanderzusetzen – wie dies in den USA und in UK heute schon verpflichtend ist.

Institute müssen unter der CMD einen sog. „Living Will“ (Sanierungsplan) erstellen, der auf der Basis unterschiedlicher (Krisen-)Szenarien Rettungsmaßnahmen und deren Umsetzung aufzeigt. Er unterscheidet sich grundlegend von den im deutschen Recht vorgesehenen Krisenbekämpfungs- und -bewältigungsplänen, insbesondere auch vom deutschen Sanierungs- bzw. Reorganisationsplan gemäß den Regelungen des Kreditinstitute-Reorganisationsgesetzes. Ein „Living Will“ ist präventiv vorzuhalten und laufend zu aktualisieren. Er beinhaltet Vorkehrungen und Maßnahmen, die es dem Institut im Falle einer wesentlichen Verschlechterung seiner Finanzlage ermöglichen, seine langfristige Lebensfähigkeit wiederherzustellen.

Flankierend ermöglicht die CMD den Abschluss gruppeninterner Verträge zur (gegenseitigen) finanziellen Unterstützung (im Krisenfall), um Notfallmittel und Sicherheiten innerhalb der Gruppe nutzbar zu machen. Verträge zur finanziellen Unterstützung sind genehmigungsbedürftig. Die Harmonisierung dieser Verträge mit anderweitigen Regelungen (z. B. Behandlung von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz oder bestehenden Gewinnabführungsverträgen) wird eine der großen Herausforderungen bei der Erstellung der „Living Wills“ werden.

Neben dem Sanierungs- wird auch ein Abwicklungsplan eingeführt, der durch eine zu benennende, nationale Abwicklungsbehörde (voraussichtlich BaFin oder FMSA) präventiv zu erstellen ist. Institute sind von der Erstellung dieses Plans zunächst insoweit betroffen, als sie die zur Erstellung erforderlichen Informationen der Abwicklungsbehörde zur Verfügung stellen müssen. Die Auswirkungen können jedoch erheblich weiter gehen: Ergibt nämlich die Prüfung bei einem systemrelevanten Institut, dass eine ordnungsgemäße Abwicklung aufgrund der Struktur des Instituts nicht möglich ist, sind entsprechende Umstrukturierungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Behörde kann insbesondere die Veräußerung von Vermögenswerten oder Geschäftsbereichen, Änderungen der rechtlichen oder operativen Struktur oder auch die Gründung einer EU-Mutterfinanzholding verlangen. Die Institute werden daher bereits im Vorfeld der Umsetzung der RL proaktiv ihre systemrelevanten Teile auf Abtrennbarkeit und (isolierte) Lebensfähigkeit hin untersuchen müssen. Die Regelung zeigt, dass der europäische Gesetzgeber offenbar davon ausgeht, dass eine ad-hoc Rettung ohne vorherige Planerstellung nur bedingt zielführend ist. Er wählt damit bewusst nicht den durch das Restrukturierungsgesetz vorgezeichneten Weg des Erlasses einer (unvorbereiteten) Übertragungsanordnung.

Die Umsetzung des Abwicklungsplans erfolgt – anders als die Umsetzung des „Living Will“ – durch hoheitliche Maßnahmen, insbesondere durch einen „Bail-in“ bei Insolvenznähe des Instituts, der in Abweichung zur aktuellen Rechtslage auch gegen den Willen der Betroffenen die Durchführung eines Debt-to-Equity Swaps sowie die Abschreibung bzw. Beendigung von Eigenkapitalinstrumenten durch einseitige, hoheitliche Maßnahme ermöglicht. Der „Bail-in“ wird flankiert durch weitere, hoheitliche Abwicklungsinstrumente (Unternehmensveräußerung, Brückeninstitut, Ausgliederung von Vermögenswerten) und die europarechtliche Harmonisierung nationaler Rettungsfonds. Dabei steht die faktische Identifizierbarkeit und Abtrennbarkeit systemrelevanter Teile im Vordergrund. Der Maßnahmenkatalog soll sicherstellen, dass künftig kein Institut mehr als „too big to fail“ eingestuft werden muss. Bei Anwendung der Maßnahmen ist jedoch eine wirtschaftliche Schlechterstellung der Gläubiger im Vergleich zu einem Insolvenzszenario zu vermeiden. Die Bestimmung der hierfür erforderlichen (Kompensations-)Maßnahmen im Einzelfall wird erheblichen Aufwand auslösen und ist mit Unsicherheiten verbunden. Unklar erscheint auch, welchen Einfluss all dies auf die Bewertung der Institute und die Platzierbarkeit der von ihnen emittierten Instrumente haben wird, zumal Institute künftig ein Mindestmaß an „bail-in-fähigem“ Fremdkapital und damit Leverage vorhalten müssen. Dies führt zu dem auf den ersten Blick erstaunlichen Ergebnis, dass die CMD eine Art Mindestleverage einführt.

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