Der BGH hatte kürzlich Gelegenheit, zur Rechtsscheinhaftung des Handelnden für eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zu entscheiden. Dem Urteil vom 12. 6. 2012 – II ZR 256/11, DB 2012 S. 1916 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer einer UG (haftungsbeschränkt), die im Handelsregister mit einem Stammkapital von 100 € eingetragen war. Unter der Bezeichnung „H-GmbH, u. G. (i. G.), M. H.“ hatte der Beklagte für die UG (haftungsbeschränkt) Werkverträge abgeschlossen, auf die Vorschüsse gezahlt wurden. Da die Arbeiten jedoch nie beendet wurden, kündigte der Kläger und verlangte Schadensersatz von dem Beklagten. Das Berufungsgericht hatte die Klage dem Grund nach für gerechtfertigt erklärt. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.
Der BGH entschied, dass eine Rechtsscheinhaftung analog § 179 BGB nicht nur dann bestehe, wenn jemand für eine GmbH unter Weglassung des GmbH-Zusatzes zeichne. Vielmehr greife diese Handelnden-Haftung auch dann, wenn bei einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit dem Rechtsformzusatz der GmbH gezeichnet wird. Gerade aufgrund des geringen Mindeststammkapitals bestünde bei der UG (haftungsbeschränkt) ein besonderes Bedürfnis, den Rechtsverkehr auf die geringe Ausstattung mit Haftungskapital hinzuweisen.
Dabei nutzt der BGH die Gelegenheit, noch einmal zu betonen, dass bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zwingend der gem. § 5a Abs. 1 GmbHG vorgeschriebene Zusatz buchstabengetreu zu verwenden sei. Er bezeichnet den speziellen Rechtsformzusatz bei der Unternehmergesellschaft als unverzichtbaren Bestandteil des Gläubigerschutzes, der es im Geschäftsverkehr ermöglichen soll, die Art der Gesellschaft, mit der Geschäfte getätigt werden, zu erkennen. Eine Rechtsscheinhaftung im Falle der unrichtigen Verwendung des Zusatzes „GmbH“ bei der Unternehmergesellschaft sei auch deshalb gerechtfertigt, weil dadurch der falsche Eindruck vermittelt werde, die Gesellschaft habe mit einem Mindeststammkapital von 25.000 € ausgestattet werden müssen.
Dem Einwand, auch bei der GmbH müsse das Mindeststammkapital nur einmal aufgebracht werden, nämlich bei der Gründung, folgt der BGH nicht. Zwar seien die Gläubiger nicht davor geschützt, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Stammkapital der GmbH bereits aufgebraucht sei. Die höhere Kapitalgrundlage begründe bei der GmbH aber eine entsprechend höhere Soliditätsgewähr. Diese höhere Soliditätsgewähr der GmbH sei ein wesentlicher Bestandteil der durch das MoMiG eingeführten Gesetzesänderung gewesen und könne deshalb nicht einfach mit vorgenanntem Hinweis auf einen möglichen Verbrauch des Stammkapitals übergangen werden.
Hinsichtlich der Ausgestaltung der Haftung entschied sich der BGH gegen eine sog. Unterbilanzhaftung, die lediglich im Innenverhältnis zur Gesellschaft zum Tragen käme. Er spricht sich für eine Außenhaftung aus, also eine persönliche Haftung des Handelnden gegenüber dem Vertragspartner, der auf den Rechtsschein vertraut. Dies sei keine unangemessene Benachteiligung des Handelnden, da er im Innenverhältnis Ausgleich vom wirklichen Rechtsträger verlangen könne. Dass die handelnde Person dabei das Insolvenzrisiko trägt, sei angemessen. Ausdrücklich offen lässt der BGH, ob die Haftung des Handelnden auf den Differenzbetrag zwischen der Stammkapitalziffer der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) und dem Mindeststammkapital einer GmbH begrenzt ist. Da der eingeklagte Betrag hier geringer war, musste hierüber nicht entschieden werden.
Für die Praxis bedeutet dies, dass, auch wenn der etwas voluminös wirkende Rechtsformzusatz bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) lästig sein mag, unbedingt auf eine korrekte und wörtliche Verwendung des Zusatzes gem. § 5a Abs. 1 GmbHG zu achten ist. Andernfalls kann die mit der Errichtung einer UG (haftungsbeschränkt) beabsichtigte Haftungsbeschränkung für den Handelnden schnell ins Gegenteil verkehrt werden.