Beratungsverträge zwischen einer Aktiengesellschaft und einem Aufsichtsratsmitglied bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats. Ohne Zustimmung gezahlte Beraterhonorare sind zurückzuzahlen – es sei denn, der Aufsichtsrat hat den Beratungsvertrag im Nachhinein genehmigt (§ 114 Abs. 2 Satz 1 AktG). Bedeutet dies, dass der Vorstand das Beratungshonorar auch schon vor der – als sicher erwarteten – Genehmigung auszahlen darf? Die Praxis hat dies bislang so gesehen, aber der BGH hat jetzt klargestellt, dass der Vorstand pflichtwidrig handelt, wenn er Zahlungen vor der Genehmigung durch den Aufsichtsrat vornimmt (BGH-Urteil vom 10. 7. 2012 – II ZR 48/11, DB0491448).
In der Entscheidung ging es vordergründig um die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Fresenius SE. Eine Aktionärin hatte gegen die Entlastungsbeschlüsse geklagt mit der Begründung, der Vorstand habe gegen § 114 Abs. 1 AktG verstoßen. Nach dieser Vorschrift hängt die Wirksamkeit von Beratungsverträgen zwischen einem Aufsichtsratsmitglied und einer Aktiengesellschaft (für eine SE gilt insoweit nichts anderes) von der Zustimmung des Aufsichtsrats ab. Der Vorstand hatte solche Beratungsverträge mit einer Anwaltssozietät abgeschlossen, welcher der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende angehört hatte. Die Verträge wurden dem Aufsichtsrat auch zur Genehmigung vorgelegt, allerdings erst, nachdem bereits hohe Beratungshonorare an die Anwaltssozietät geflossen waren.
In der von der überwiegenden Literatur gebilligten Praxis war es bislang keineswegs unüblich, dass auf Beratungsverträge zwischen der Gesellschaft und Aufsichtsratsmitgliedern Honorare gezahlt wurden, bevor der Aufsichtsrat die Genehmigung erteilt hatte. Das Gesetz sieht in § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG ausdrücklich vor, dass das Honorar nicht zurückgezahlt werden muss, wenn der Aufsichtsrat den Vertrag (nachträglich) genehmigt. Hiernach hätten sich Vorstand und Aufsichtsrat der Fresenius SE rechtmäßig verhalten.
Das OLG Frankfurt/M., das über die Berufung der Aktionärin zu entscheiden hatte, sah dies anders. § 114 Abs. 1 AktG sei als Verhaltensnorm auszulegen. Der Regelungszweck bestehe darin, eine unsachliche Beeinflussung einzelner Aufsichtsratsmitglieder durch den Vorstand zu verhindern. Wenn das Aufsichtsratsmitglied damit rechnen müsse, dass es das Beraterhonorar zurückzahlen müsse, würde dies eine Abhängigkeit vom Vorstand begründen, der das Gesetz entgegenwirken wolle. Die Auszahlung des Honorars vor erfolgter Genehmigung müsse daher verhindert werden.
In der Literatur wurde diese Entscheidung des OLG Frankfurt/M. überwiegend kritisiert. Ein Beratungsvertrag mit einem Aufsichtsratsmitglied werde zwar erst wirksam, wenn der Aufsichtsrat zugestimmt habe. Das Gesetz lasse aber ausdrücklich auch die nachträgliche Genehmigung zu. Durch die Erteilung der Genehmigung würden der Vertragsabschluss wie auch die Auszahlung des Honorars nachträglich legitimiert. Deshalb könne der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen selbst entscheiden, ob er das Beratungshonorar schon vor der Genehmigung durch den Aufsichtsrat auszahle.
Der BGH hat diese Literaturstimmen verworfen und sich dem OLG Frankfurt/M. angeschlossen. Zweck des Zustimmungserfordernisses für Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern sei die präventive Kontrolle. Der Aufsichtsrat müsse insbesondere prüfen, ob die von der Rechtsprechung für die Zulässigkeit von Beratungshonoraren aufgestellten Anforderungen erfüllt seien. So lange der Aufsichtsrat dies nicht geprüft und positiv beschieden hätte, sei der Vertrag schwebend unwirksam. Deshalb sei es dem Vorstand regelmäßig untersagt, auf die bloße Erwartung hin, dass der Vertrag vom Aufsichtsrat genehmigt werde, schon eine Vergütung zu zahlen.
Diese Pflichtwidrigkeit entfällt nach Auffassung des BGH nicht nachträglich, wenn der Aufsichtsrat den Vertrag genehmigt. Die nachträgliche Genehmigung durch den Aufsichtsrat bedeute zwar, dass das begünstigte Aufsichtsratsmitglied das Honorar behalten dürfe und schaffe damit einen Rechtsgrund für die Vergütungszahlung. Eine davon zu unterscheidende Frage sei aber, ob der Vorstand mit der Zahlung – und das Aufsichtsratsmitglied mit deren Entgegennahme – gegen seine Verhaltenspflichten verstoße. Diese Frage sei zu bejahen, weil das gesetzgeberische Ziel der präventiven Kontrolle des Beratungsvertrags mit einer vorgezogenen Zahlung endgültig verfehlt werde.
Obwohl der BGH dem OLG Frankfurt/M. in dieser Frage zugestimmt hat, hat er dessen Urteil aufgehoben. Gegenstand des Prozesses war, wie bereits erwähnt, nicht die Rückzahlung des Beraterhonorars; es waren die Entlastungsbeschlüsse der Hauptversammlung. Der Entlastungsbeschluss der Hauptversammlung ist jedoch nicht schon dann angreifbar, wenn den betroffenen Organmitgliedern irgendein Gesetzes- oder Satzungsverstoß vorgeworfen wird. Vielmehr muss es sich um einen eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß handeln. Daran fehlte es hier nach Auffassung des BGH, denn zum Zeitpunkt der Auszahlung der Beraterhonorare an die Anwaltssozietät hätte in der Literatur niemand die Meinung vertreten, dass die Auszahlung auch dann rechtswidrig bleibe, wenn die Genehmigung später erteilt werde. Auch in der Rechtsprechung hätte es nur ein Urteil des OLG München gegeben, das diese Auffassung vertreten hätte. In Anbetracht dieses Meinungsstandes sei die vorherige Auszahlung vertretbar gewesen, solange diese Frage nicht höchstrichterlich geklärt gewesen sei.
Damit argumentiert der BGH der Sache nach mit Vertrauensschutz. Mit diesem Vertrauensschutz ist es für die Zukunft vorbei. Die Auszahlung von Beratungshonoraren an Aufsichtsratsmitglieder vor Zustimmung des Aufsichtsrats ist nach nunmehr geklärter höchstrichterlicher Rechtsprechung eindeutig verboten – jedenfalls im Regelfall. Deshalb ist Vorstandsmitgliedern dringend zu empfehlen, Beratungshonorare erst nach Zustimmung durch den Aufsichtsrat auszuzahlen; Aufsichtsratsmitgliedern ist ebenso dringend zu empfehlen, Beratungshonorare erst nach dieser Zustimmung entgegenzunehmen.