Insolvenzantrag – untaugliches Mittel zum Forderungseinzug

RA Dr. Maximilian Baier, Associate, Hogan Lovells, München

In seiner Entscheidung vom 25. 10. 2012 – IX ZR 117/11 hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung zur insolvenzrechtlichen Vorsatzanfechtung bestätigt. Das Urteil, dem vollumfänglich zuzustimmen ist, ist u. a. für Gläubiger interessant, die aufgrund einer rückständigen Forderung Insolvenzantrag gestellt haben. Schuldner versuchen häufig, die Insolvenzeröffnung durch die Befriedigung des antragstellenden Gläubigers abzuwenden. Die Freude des Gläubigers über die Befriedigung dürfte jedoch häufig nicht lange währen. Denn kommt es später doch noch zu einem Insolvenzverfahren, muss er – wie das Urteil anschaulich zeigt – mit der Anfechtung der Zahlung durch den Insolvenzverwalter rechnen, es sei denn er hatte ausnahmsweise keinen Anlass, an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu zweifeln.

Im vom BGH entschiedenen Fall war der spätere Insolvenzschuldner bei der beklagten Krankenkasse mit der Beitragszahlung in Rückstand geraten. 7 Monate nachdem die Beklagte Insolvenzantrag gestellt hatte, beglich der Schuldner im Juni 2006 mit dem Hinweis, nun alle seiner Gläubiger befriedigt zu haben, alle fälligen Beitragsforderungen der Beklagten. Daraufhin erklärte die Beklagte ihren Insolvenzantrag für erledigt. Kurz darauf geriet der Schuldner gegenüber einem anderen Gläubiger in Zahlungsrückstand. Ende 2009 beantragte der Schuldner letztlich selbst Insolvenz. Der Insolvenzverwalter nahm die Beklagte auf Erstattung der im Juni 2006 geleisteten Zahlungen in Anspruch.

Der BGH sah die Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, für gegeben an. Diese erfordert u.a., dass der Schuldner mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen gehandelt hat, und der Anfechtungsgegner diesen Vorsatz kannte.

Bei der Zahlung im Juni 2006 handelte es sich um eine sog. inkongruente Deckung, da der Schuldner damit nicht primär die Erfüllung seiner Zahlungspflicht, sondern das Ziel verfolgte, die Beklagte zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu bewegen. Diese Inkongruenz ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl ein Indiz für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners, wenn aus dessen Sicht zumindest an der Liquidität des Schuldners gezweifelt werden musste.

Dies war hier trotz der anderslautenden Erklärung des Schuldners der Fall. Schon wegen des Zeitraums von 7 Monaten seit der Antragstellung musste die Beklagte erkennen, dass der Schuldner unfähig war, seine fälligen Verbindlichkeiten fristgerecht zu begleichen. Da der Schuldner über einen längeren Zeitraum Forderungsrückstände vor sich herschob und sich die liquiditätsbestimmenden Rahmenbedingungen nicht geändert hatten, konnte die Befriedigung aller Gläubiger Anfang Juni 2006 die Zweifel an der (fortdauernden) Zahlungsfähigkeit des Schuldners nicht zerstreuen. Die einmal eingetretene Zahlungseinstellung des Schuldners, aufgrund derer seine Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO anzunehmen ist, wirkt nach ständiger Rechtsprechung fort und kann nur durch die Wiederaufnahme der Zahlungen im Allgemeinen beseitigt werden. Diese konnte die Beklagte nicht nachweisen. Zwar hatte der Schuldner zu einem bestimmten Stichtag im Juni 2006 (fast) alle seiner Gläubiger befriedigt. Gleichwohl war er nicht auf Dauer in der Lage, seine alsbald fälligen Verbindlichkeiten zu befriedigen. Vielmehr musste der Schuldner im Rahmen der Rückführung der Beklagten Mittel einsetzen, die er zur Befriedigung künftiger alsbald fälliger Verbindlichkeiten benötigt hätte, weshalb der BGH entschied, dass trotz der punktuellen Rückführung (fast) aller Verbindlichkeiten von einer fortwirkenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszugehen sei.

Die Verteidigungsmöglichkeiten des antragstellenden Gläubigers gegen die Anfechtung der Befriedigung einer dem Antrag zugrunde liegenden Forderung sind begrenzt. Es ist dem Gläubiger in diesem Zusammenhang vor allem zu raten, alle Hinweise, die für die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der Zahlung sprechen, sorgsam zu dokumentieren, um im Anfechtungsstreit darlegen zu können, warum er (zu Recht) nicht an der Liquidität des Schuldners zweifeln musste.

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