MiFID2/MiFIR: Abstimmung im EP – Hochfrequenzhandel, Warenderivate, Handelsplattformen, Transparenz

RA Dr. Markus Lange, Partner, Head of Financial Services Legal, KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt/M.

Der am 26. 10. 2012 vom Plenum des Europäischen Parlaments (EP) verabschiedete Standpunkt zur Neufassung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID2) sowie einer ergänzenden, unmittelbar anwendbaren Verordnung (MiFIR) beinhaltet auch im Hinblick auf die Regelungsbereiche Handel, Derivate und Marktinfrastrukturen ebenso zahlreiche wie weit reichende Änderungen und Ergänzungen gegenüber den im Oktober 2011 vorgelegten Vorschlägen der EU-Kommission.

Für diese Regelungsbereiche ist das mit Blick auf die Erfahrungen aus der Finanzkrise im Rahmen der G20-Übereinkünfte geprägte und von dem für MiFID2/MiFIR verantwortlichen Berichterstatter MEP Markus Ferber (CSU) wiederholt in Erinnerung gerufene Leitmotiv „kein Markt, kein Marktteilnehmer, kein Marktgeschäft ohne Regulierung“ prägend. Umgesetzt werden soll dieser Grundsatz im Hinblick auf die Finanz- und Terminmärkte durch weiter reichende und möglichst umfassende Regulierungen (neben MiFID2/MiFIR sind hier u. a. EMIR, MAD/MAR und der US-amerikanische Dodd Frank Act zu nennen), flankiert durch die weitere regulatorische Durchdringung des sog. Schattenbankensektors (hierzu zählt man derzeit u. a. Geldmarktfonds, Verbriefungen oder Repogeschäfte).

Im Hinblick auf den Standpunkt des EP zu MiFID2/MiFIR sollen nachfolgend (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) einige zentrale Themen kurz beleuchtet werden.

Die Regulierung des schnellen computergestützten Handels (algorithmischer Handel, insbes. Hochfrequenzhandel), den man u. a. für einige abrupte Marktbewegungen in den letzten Jahren verantwortlich macht, ist in Deutschland zwischenzeitlich auch Gegenstand eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung geworden (Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel [Hochfrequenzhandelsgesetz] vom 26. 09. 2012). Das EP hat sich insoweit zusätzlich zu den von der Kommission vorgesehenen Zulassungs- und Organisationspflichten u. a. für eine Mindestgültigkeit von Orders für 500 Millisekunden ausgesprochen.

Aktivitäten von Finanzmarktteilnehmern an Warenterminmärkten werden von Politik und Öffentlichkeit zunehmend kritisch gesehen. Man meint, einen Zusammenhang zwischen spekulativen bzw. investmentgetriebenen Warenderivatgeschäften und Preisschwankungen an Warenmärkten zu erkennen, und befürchtet einen negativen Einfluss dieser Geschäfte auf die sog. Realwirtschaft. Für Abhilfe sorgen sollen nach den Vorstellungen des EP u. a. Positionslimite, die von Marktbetreibern für alle Marktteilnehmer festzulegen und anzuwenden sind. Soweit eine Warenderivatposition nachvollziehbar der Reduzierung kommerzieller Risiken dient, sollen stattdessen Positionskontrollen zum Tragen kommen.

Seit Vorlage der Kommissionsvorschläge umstritten ist die Einführung einer zusätzlichen Kategorie der regulierten und zulassungspflichtigen Marktplätze, des sog. organisierten Handelssystems (OTF). Befürworter halten diese neue Kategorie für erforderlich, um Aufsichtslücken zu schließen. Kritiker sorgen sich um die Liquidität der Märkte und befürchten eine (weitere) Marktzersplitterung. Das EP hat sich für die Einführung dieser neuen Kategorie ausgesprochen und die Linie der Kommission insoweit grundsätzlich bestätigt, das OTF aber zugleich auf den Handel mit Nicht-Eigenkapitalinstrumenten und Derivaten beschränkt.

Kontrovers diskutiert wird nach wie vor auch der Themenkreis Vor- und Nachhandelstransparenz. Das EP hat sich ungeachtet vielfacher Gegenstimmen aus dem Kreis der betroffenen Marktteilnehmer dafür ausgesprochen, dass die entsprechenden Pflichten nicht nur für Eigenkapitalinstrumente und ETF gelten, sondern grundsätzlich auch für Nicht-Eigenkapitalinstrumente und Derivate.

Wie im Regelungsbereich des Anlegerschutzes werden auch die handels- und marktbezogenen Vorschriften von neuen Anforderungen hinsichtlich Corporate Governance sowie zusätzlichen und weitreichenden behördlichen Eingriffsbefugnissen begleitet. Die Position des EP hat den Ansatz bestärkt, dass die Unternehmensführung auf die Kundeninteressen und die Marktintegrität ausgerichtet sein muss. Auch nach den Vorstellungen des EP erhalten die Aufsichtsbehörden zusätzliche Auskunftsrechte etwa gegenüber Betreibern von algorithmischem Handel oder Hochfrequenzhandel sowie in Bezug auf Warenterminkontrakte; außerdem dürfen sie die Entfernung von Leitungspersonen verlangen. Nicht zuletzt sollen auch insoweit neue Interventionsbefugnisse zum Tragen kommen, u. a. die Befugnis, die Aussetzung oder Entfernung eines Finanzinstruments vom Handel zu verlangen, oder die Ermächtigung zum jederzeitigen Einschreiten in Bezug auf bestimmte marktgängige Finanzinstrumente sowie beobachtbare Finanzaktivitäten oder Handelspraktiken. Betroffene Marktteilnehmer sollten auch diesen Regelungskomplexen die gebotene Aufmerksamkeit widmen; etwaige künftige Konsequenzen in dieser Hinsicht dürften ebenso ungewohnt wie schmerzhaft sein.

Die Arbeitsgruppen des Europäischen Rates haben sich nach wie vor nicht auf einen Standpunkt des Rates zu MiFID2/MiFIR verständigen können. Die Uneinigkeiten sollen sich dem Vernehmen nach vor allem auf die handels- und marktbezogenen Regelungen beziehen. Die sog. Trilog-Gespräche sollen dessen ungeachtet möglichst bald im 1. Quartal 2013 beginnen.

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