Noch mehr Sprengstoff für die Zeitarbeitsbranche?

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. André Zimmermann, Allen & Overy LLP, Frankfurt/M.

Die CGZP ist nicht tariffähig. Das ist ein alter Hut. Manche Gerichte zweifeln jetzt an der Tariffähigkeit und -zuständigkeit der DGB-Gewerkschaften in der Zeitarbeit, die in der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit des DGB zusammengeschlossen sind. Wären sie nicht tariffähig oder nicht tarifzuständig, kann das für Zeitarbeits- und Einsatzunternehmen die aus den CGZP-Verfahren bekannten Folgen auslösen.Die Tarifgemeinschaft Zeitarbeit besteht aus den acht DGB-Mitgliedsgewerkschaften. Ihre Mitglieder – nicht die Tarifgemeinschaft selbst – schließen seit 2004 mit den großen Arbeitgeberverbänden der Zeitarbeit Tarifverträge.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat kürzlich – der Beschluss aus März 2012 wurde erst Ende 2012 veröffentlicht – einen Rechtsstreit um Differenzvergütung zu equal pay wegen Zweifeln an der Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften in der Zeitarbeit ausgesetzt (Beschluss vom 20. 3. 2012 – 22 Sa 71/11, DB0572803).

Das beklagte Zeitarbeitsunternehmen ist Mitglied im Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) (im April 2011 mit Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) fusioniert zu Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP)). Der Arbeitsvertrag nimmt Bezug auf die zwischen dem BZA „und der DGB-Tarifgemeinschaft-Zeitarbeit geschlossenen Branchentarifverträge“.

Der Leiharbeitnehmer bezweifelt die Tarifzuständigkeit und Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften – und schlussfolgert hieraus: Nichtigkeit der Tarifverträge und Anspruch auf equal pay, § 10 Abs. 4 AÜG. Er meint, weder die Einzelgewerkschaften noch der DGB seien satzungsgemäß für gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung zuständig. Es fehle auch an der Tariffähigkeit: Die DGB-Gewerkschaften hätten in der Zeitarbeitsbranche kaum Mitglieder.

Das Landesarbeitsgericht hält die Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften in der Zeitarbeit für zweifelhaft. Das ergebe sich daraus, dass die Beklagte von der Tariffähigkeit ausgehe, was der Kläger mit Substanz bestritten habe. Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht ist eingelegt (1 AZB 72/12).

§ 97 ArbGG sieht vor, dass ein Rechtsstreit auszusetzen ist, wenn die Entscheidung davon abhängt, ob eine Gewerkschaft tariffähig oder tarifzuständig ist. In einem besonderen Beschlussverfahren ist dann über die Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit zu entscheiden; antragsberechtigt sind auch die Parteien des ausgesetzten Rechtsstreits.

Das Bundesarbeitsgericht wird daher nur darüber entscheiden, ob das Verfahren zu Recht ausgesetzt wurde – das Landesarbeitsgericht also zu Recht Zweifel hegt. Über die – für das Klageverfahren vorgreifliche – Frage der Tariffähigkeit und -zuständigkeit der DGB-Gewerkschaften ist anschließend im Beschlussverfahren zu entscheiden.

Vor dem Arbeitsgericht Berlin ist bereits ein solches Beschlussverfahren anhängig (21 BV 6735/12). Hier und in weiteren Verfahren werden sich schwierige Fragen stellen, die die Gerichte anhand genauer Analyse der Satzungen und auch unter Weiterentwicklung der Rechtsprechung werden beantworten müssen:

Manche Satzungen sehen etwa eine Zuständigkeit vor für Leiharbeitnehmer beschränkt auf ihren Einsatz in der Branche der Gewerkschaft; in verleihfreien Zeiten soll die Gewerkschaft nicht zuständig sein. Es ist fraglich, ob das deutsche Tarifrecht eine solche einsatzabhängige Tarifzuständigkeit zulässt, und, wenn nicht, was daraus folgt. DGB-Gewerkschaften haben Tarifverträge unterschrieben, deren Satzungen gar keine Zuständigkeit vorsehen für die Leiharbeit – NGG, EVG und GdP. Unklar ist, welche Folgen das hat für die Geltung und Wirksamkeit der Tarifverträge im Übrigen?

Vor 2014 dürfte wohl nicht mit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu rechnen sein. Die Folgen der fehlenden Tariffähigkeit sind aus den CGZP-Verfahren bekannt: Unwirksame Tarifverträge befreien nicht von equal pay und Leiharbeitnehmer können bis zur Grenze der Verjährung die Vergütungsdifferenz verlangen, soweit nicht (wirksame) Verfallklauseln eingreifen. Gravierender sind aber die Sozialversicherungsbeiträge auf die Differenz. Auf sie haften neben den Zeitarbeitsunternehmen subsidiär die Einsatzunternehmen.

 

 

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