Vor und Zurück im Arbeitnehmerdatenschutz – was gilt derzeit?

Christian Gleich
Rechtsanwalt
McDermott Will & Emery
München

Die Verabschiedung eines neuen Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes ist nun wieder in unbestimmte Ferne gerückt. Nachdem sich die Regierungsparteien nach jahrelangem Stillstand überraschend auf einen entsprechenden Gesetzesentwurf geeinigt hatten, rechneten viele noch mit einer Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) bis Ende Januar 2013. Da das Thema aber nun ohne Vorankündigung von der Tagesordnung des federführenden Innenausschusses verschwunden ist – wohl aufgrund der anstehenden Landtagswahl in Niedersachsen – erscheint eine zeitnahe Verabschiedung wieder mehr als unsicher. Daneben ist auch fraglich, ob aufgrund der Änderungsanträge der Oppositionsparteien und der sowohl von Arbeitgeberseite als auch von den Gewerkschaften geäußerten Kritik, der Inhalt des Entwurfs von der Regierung aufrechterhalten werden kann.

Solange aber das neue Arbeitnehmerdatenschutzgesetz nicht in Kraft ist, haben sich die Arbeitgeber jedenfalls an die noch geltenden Vorgaben des BDSG und die hierzu einschlägige Rechtsprechung zu halten. Die geplanten Änderungen und die daran geäußerte Kritik haben bei Arbeitgebern allerdings vermehrt die Frage aufgeworfen, wie sich die Rechtslage hinsichtlich des Arbeitnehmerdatenschutzes derzeit aber nun tatsächlich darstellt. Nachfolgend ist deswegen der rechtlichen Status Quo bezüglich drei relevanter Themen im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes näher zu erläutern.

Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Einer der Hauptkritikpunkte an dem neuen Gesetzesentwurf von Arbeitgeberseite war das generelle Verbot der heimlichen Videoüberwachung. Für Arbeitgeber hätte dieses nämlich den Verlust eines effektiven Instruments zur Aufklärung betrieblicher Störungen bedeutet, da nach derzeitiger Rechtslage heimliche Videoüberwachungen noch unter strengen Voraussetzungen zulässig sind. Das Bundesarbeitsgericht hatte diesbezüglich mit seiner häufig zitierten Entscheidung vom 21. 6. 2012 (Az.: 2 AZR 153/11) noch vor einem guten halben Jahr für weitere Rechtssicherheit auf Seiten der Arbeitgeber gesorgt. Grundvoraussetzung für eine heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist demnach der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung des Arbeitnehmers zulasten des Arbeitgebers. Bestehen darüber hinaus für den Arbeitgeber keine zusätzlichen Möglichkeiten zur Aufklärung des Verdachts durch weniger einschneidende Maßnahmen und ist die heimliche Videoüberwachung auch insgesamt nicht als unverhältnismäßig anzusehen, ist eine solche erlaubt. Die Unverhältnismäßigkeit der heimlichen Videoüberwachung kann sich dabei insbesondere aus einem nicht mehr zu rechtfertigenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer ergeben, beispielsweise bei Überwachung der Umkleideräume wegen des Verdachts des Diebstahls geringwertiger Gegenstände.

Wohl als Ausgleich für das generelle Verbot der heimlichen Videoüberwachung hatten die Koalitionsparteien dagegen geplant, die offene Videoüberwachung zugunsten des Arbeitgebers auszudehnen. Eine Überwachung zur Leistungskontrolle wäre aller Voraussicht nach aber auch weiterhin untersagt gewesen. Zur Beurteilung der Zulässigkeit einer offenen Videoüberwachung am Arbeitsplatz nach gegenwärtiger Rechtslage, ist grundsätzlich zwischen öffentlich und nicht-öffentlich zugänglichen Räumen zu unterscheiden. Unter öffentlich zugängliche Räumen werden allgemein Bereiche innerhalb und außerhalb von Gebäuden verstanden, die von einem unbestimmten und nur nach allgemeinen Merkmalen abgrenzbaren Personenkreis betreten und genutzt werden können und ihrem Zweck nach auch dazu bestimmt sind (z.B. Verkaufräume, Restaurants, Schalterhallen von Banken). Als nicht-öffentlich zugängliche Raume sind folglich beispielsweise die Werkshallen und Bürogebäude eines Unternehmens anzusehen, da diese regelmäßig nur von den Beschäftigten sowie einem eingeschränkten Kreis Dritten (Kunden, Lieferanten) betreten werden. Sind öffentlich zugängliche Räume betroffen, so ist eine offene Videoüberwachung für nicht öffentliche Stellen lediglich zur Wahrung des Hausrechts oder berechtigter Interessen, wozu vor allem die Gefahrenabwehr (z.B. Verhütung von Vandalismus oder von Vermögensdelikten) zu zählen ist, erlaubt. In nicht-öffentlichen Räumen hängt die Zulässigkeit der offenen Videoüberwachung dagegen allein von einem Überwiegen der Arbeitgeber- gegenüber den Arbeitnehmerinteressen ab. Von einem Überwiegen der Arbeitgeberinteressen kann insbesondere immer dann ausgegangen werden, wenn die Videoüberwachung zur Wahrung der Sicherheit im Betrieb erforderlich ist, z.B. zur Überwachung risikobehafteter Vorgänge sowie sonstiger Gefahrquellen und unfallträchtiger Situationen.

Greifen Arbeitgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen auf eine offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz zurück, sollte nicht vergessen werden eine solche auch durch deutlich erkennbare Hinweise kenntlich zu machen und – falls vorhanden – den Betriebsrat entsprechend zu beteiligen. Eine grundsätzlich erlaubte Videoüberwachung kann ansonsten erhebliche negative Folgen – bis zur Unzulässigkeit der Videoüberwachung – für den Arbeitgeber nach sich ziehen.

Soziale Netzwerke

Die im Gesetzesentwurf aufgenommenen Regelungen hinsichtlich des Umgangs mit von Bewerbern/Arbeitnehmern in sozialen Netzwerken veröffentlichten Daten wären allein schon aus Rechtssicherheitsaspekten zu begrüßen gewesen. Solange es sich um einen öffentlich zugänglichen Bereich des sozialen Netzwerks handelt, also keine Generierung als „Freund“ erforderlich ist, wäre es Arbeitgebern uneingeschränkt erlaubt gewesen, Informationen über seine Bewerber/Arbeitnehmer zu sammeln. Mangels ausdrücklicher Regelung im BDSG und einschlägiger Rechtsprechung ist die derzeitige Rechtslage dagegen noch von erheblicher Unsicherheit geprägt.

Als uneingeschränkt zulässig sind bislang nur Zugriffe des Arbeitgebers auf Daten von Bewerbern/Arbeitnehmern in sozialen Netzwerken anzusehen, soweit diese über eine Suchmaschinenanfrage („Googlen“) ohne gesonderte Anmeldung oder Freigabe des Bewerbers/Arbeitnehmers erhoben werden können. Ob es sich dabei um ein berufs- (XING, LinkedIn etc.) oder freizeitorientiertes Netzwerk (Facebook, MySpace etc.) handelt, ist dabei nicht erheblich. Nicht abschließend geklärt ist dagegen die Verwertbarkeit von Daten, die nur Mitgliedern zugänglich sind, d.h. eine eigene Anmeldung des Arbeitgebers erfordern. In diesem Fall wird sowohl vertreten nach dem Zweck des sozialen Netzwerks zu unterscheiden, als auch danach, ob das soziale Netzwerk für jeden nach Anmeldung zugänglich ist. Die beiden Auffassungen führen damit allerdings zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Während Arbeitgeber nach der ersten Auffassung auf berufsorientierte Netzwerke beschränkt sind, können sie nach der zweiten Auffassung auch auf Profile in freizeitorientierten Netzwerken zugreifen, solange sie nicht vom Bewerber/Arbeitgeber geschützt wurden. Bis zur Klärung dieser Rechtsfrage kann Arbeitgebern deswegen nur empfohlen werden, von der Überwachung sozialer Netzwerke nur eingeschränkt Gebrauch zu machen.

Ärztliche und psychologische Untersuchungen

Im Rahmen der Zulässigkeit von ärztlichen und psychologischen Untersuchungen hätte der Gesetzesentwurf insbesondere zu einer Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten geführt. Während nach derzeitiger Rechtslage entsprechende Untersuchungen regelmäßig nur bei Neueinstellungen zulässig sind, wären nach dem Vorhaben der Regierungsparteien solche auch bei einem Wechsel der Beschäftigung innerhalb des Unternehmens erlaubt gewesen.

An den Voraussetzungen hätte sich dagegen nichts grundlegend geändert. Der Gesetzesentwurf hätte vielmehr nur zur Festschreibung der derzeitigen Rechtslage in einer eigenständigen Norm geführt. Nach der aktuellen Fassung des BDSG sind entsprechende Untersuchungen nur zulässig, sofern diese zur Feststellung der körperlichen, gesundheitlichen und persönlichen Eignung des Bewerbers für den in Aussicht gestellten Arbeitsplatz erforderlich sind und sich auch hierauf beschränken. Zusätzliche Voraussetzung ist, dass der Bewerber nach einer umfassenden Aufklärung (Ziel und Zweck, Umfang, angewandte Methoden etc.) der durchzuführenden Untersuchung auch ausdrücklich zugestimmt hat.

Die aus der Einstellungsuntersuchung gewonnenen Erkenntnisse dürfen allerdings nur zur Bildung eines allgemeinen Urteils über die körperliche, gesundheitliche oder persönliche Eignung des Bewerbers für die in Aussicht gestellte Stelle („geeignet“ oder „ungeeignet“) herangezogen werden. Eine Weitergabe und Verwertung der genauen Diagnose oder der im Rahmen der Untersuchung ermittelten Krankengeschichte des Bewerbers durch den Arbeitgeber ist – auch während der Durchführung des Arbeitsverhältnisses – unzulässig.

Kommentare sind geschlossen.