Die Arbeitnehmerüberlassung kommt nicht zur Ruhe. Der Gesetzgeber hat bei seiner letzten Novellierung des AÜG einige Änderungen und Ergänzungen vorgenommen, deren Bedeutung und Folgen in Literatur und Rechtsprechung strittig sind und in der Praxis für Unsicherheit sorgen.
So hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ergänzt, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher „vorübergehend“ erfolgt. Was aber ist „vorübergehend“? Und was gilt, wenn ein Leiharbeitnehmer nicht nur „vorübergehend“ überlassen wird? Das AÜG schweigt sich hierzu aus. Es enthält weder eine Definition, noch eine Rechtsfolgenanordnung für den Fall einer nicht vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung. In der Literatur gibt es unterschiedliche Meinungen und eine höchstrichterliche Entscheidung, die in der Praxis für Klarheit sorgen würde, gibt es noch nicht – scheint durch zwei widersprüchliche Entscheidungen des LAG Berlin-Brandenburg nun aber in greifbare Nähe zu rücken:
In einer aktuellen Entscheidung vom 9. 1. 2013 (Az. 15 Sa 1635/12) hat die 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg festgestellt, dass die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers auf einem Dauerarbeitsplatz dazu führe, dass zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zustande komme.
Hintergrund dieser Entscheidung war, dass der Entleiher, ein Betreiber von Krankenhäusern, über ein konzerneigenes Verleihunternehmen Leiharbeitnehmer als Krankenpflegepersonal auf Dauerarbeitsplätzen einsetzte, für die keine eigenen Stammarbeitnehmer beschäftigt werden. Zwar besitzt das Verleihunternehmen eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, die Kammer entschied jedoch, dass eine auf Dauer angelegte Arbeitnehmerüberlassung nicht vorübergehend erfolge und damit von der erteilten Erlaubnis nicht gedeckt sei. Das Fehlen einer Erlaubnis der Arbeitnehmerüberlassung führe gemäß § 10 Abs. 1 AÜG dann dazu, dass zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher ein Arbeitsverhältnis begründet werde.
Im Gegensatz zur 15. Kammer hatte erst im Oktober 2012 die 7. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg in einem Parallelverfahren entschieden, dass selbst im Falle einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande komme, da das Gesetz diese Rechtsfolge für eine nicht vorübergehende Überlassung nicht vorsehe (Urteil vom 16. 10. 2012 – 7 Sa 1182/12).
Beide Kammern haben die Revision zugelassen. Es ist also zu hoffen, dass das BAG demnächst die Gelegenheit haben wird, sich zu Bedeutung und Rechtsfolgen der durch den Gesetzgeber vorgenommenen Ergänzung des Wörtchens „vorübergehend“ zu äußern und die Rechtslage für den Rechtsanwender zu klären.
Bis eine solche Entscheidung vorliegt, sollten Unternehmen die dauerhafte Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern vermeiden, um nicht Gefahr zu laufen, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Leiharbeitnehmer begründet wird. Dies gilt auch, wenn Leiharbeitnehmer jeweils nur befristet auf einem Dauerarbeitsplatz beschäftigt werden sollen. Die 4. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg wies in einer weiteren Entscheidung vom 19. 12. 2012 (Az. 4 Ta BV 1163/12) darauf hin, dass auch der befristete Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen nicht vorübergehend und damit unzulässig sei. Unproblematisch dürfte der Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen nur dann sein, wenn der Einsatz vorübergehend etwa als Vertretung eines abwesenden eigenen Arbeitnehmers erfolgt. Die Entscheidung erging im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens; der Betriebsrat hatte zur Einstellung der Leiharbeitnehmer seine Zustimmung verweigert. Nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg ist das Entleihunternehmen dann gehindert, die Leiharbeitnehmer auf den Dauerarbeitsplätzen tatsächlich einzusetzen.
In der Zusammenschau führt die Rechtsprechung dazu, dass der Arbeitnehmerüberlassung – gerade für den unternehmensübergreifenden Personaleinsatz im Konzern – engmaschige Grenzen gezogen sind. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG diese verfestigt oder wieder ein wenig lockern wird.