Wann haften Bankmitarbeiter für die Steuerhinterziehung ihrer Kunden?

RA Dr. Hilmer Erb, FA f. Steuer- und Strafrecht, PwC Legal, Frankfurt/M.

RA Dr. Hilmar Erb, FA f. Steuer- und Strafrecht, PwC Legal, München

Wer einem anderen hilft, Steuern zu hinterziehen, haftet gegenüber dem Fiskus für die verkürzten Steuern und die Hinterziehungszinsen (§ 71 AO). Kürzlich hatte der Bundesfinanzhof (BFH) darüber zu entscheiden, ob der Bereichsleiter der Wertpapieradministration einer Bank als Haftungsschuldner nach dieser Regelung in Anspruch genommen werden durfte (BFH-Urteil vom 15. 1. 2013 – VIII R 22/10, DB 2013 S. 796).

Der Bereichsleiter hatte mit mehreren Organisationsanweisungen den anonymen Transfer von Kapital und Wertpapieren zu ausländischen Tochterunternehmen der Bank ermöglicht, was viele Kunden genutzt hatten. Dem Finanzamt gelang es trotz der Verschleierung, 75% der Transaktionen einzelnen Kunden zuzuordnen. Die wenigsten Kunden hatten ihre ausländischen Erträge versteuert, allerdings resultierte daraus in 6% der Fälle kein Steuerschaden. Die übrigen Kunden konnten nicht ermittelt werden.

Das Finanzamt nahm den Bereichsleiter wegen Beihilfe zur Hinterziehung in Haftung und forderte von ihm rund 3,5 Mio. € verkürzte Einkommensteuer und Zinsen. Mit seinen Anweisungen hätte er die Bankkunden dabei unterstützt, ihr Kapital anonym ins Ausland zu schaffen und so der Zinsabschlagsteuer zu entgehen.

Der Bereichsleiter erstritt vor dem Finanzgericht die Aufhebung des Haftungsbescheides. Die Revision des Finanzamts wies der BFH zurück; er bestätigte, dass der Bereichsleiter nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden durfte.

Die Haftung als Gehilfe einer Steuerhinterziehung setzt voraus, dass der Täter vorsätzlich Steuern verkürzt hat und der Gehilfe zu dieser Tat vorsätzlich Hilfe geleistet hat, wobei sich der Vorsatz des Gehilfen auch auf die Steuerhinterziehung des Haupttäters erstrecken muss (sog. doppelter Gehilfenvorsatz). Die Begriffe „Steuerhinterziehung“ und „Teilnahme“ sind im Steuerrecht wie im Strafrecht einzelfallbezogen anzuwenden. Schätzungen zur Höhe des Steuerschadens sind deshalb unzulässig, verbleibende Zweifel gehen zulasten des Finanzamts.

Vor diesem Hintergrund hätte der Bereichsleiter nur dann gehaftet, wenn festgestellt worden wäre, dass die unerkannt gebliebenen Bankkunden die ausländischen Kapitalerträge vorsätzlich nicht versteuerten. Die anonymen Kapitaltransfers alleine lassen einen solchen Schluss aber nicht zwingend zu, weshalb die „hinreichend sichere Annahme einer Steuerhinterziehung i. S. einer gruppenbezogenen Betrachtung (hier der nicht enttarnten Kunden)“ die Haftung nicht begründen kann. Das gilt umso mehr, als nicht alle enttarnten Kunden in ihren Steuererklärungen unrichtige Angaben gemacht hatten und in 6% der Fälle keine Steuerverkürzung eingetreten war.

Anlass zu nachhaltiger Erleichterung gibt das BFH-Urteil trotzdem nicht. Die Haftung scheiterte nur deshalb, weil das Finanzamt auf eine durchgreifende Sachverhaltsermittlung verzichtet und stattdessen auf ein weniger aufwendiges Wahrscheinlichkeitsurteil abgestellt hatte. Freilich war diese „Ermittlungsstrategie“ nicht von vorneherein abzusehen. Nicht absehbar war insbesondere, ob steuerliche oder strafrechtliche Ermittlungen die steuerhinterziehenden Bankkunden nicht früher oder später doch enttarnt und damit den Weg für die Haftung freigemacht hätten. Angesichts der jüngeren Entwicklungen mit CD-Ankäufen und bröckelnden Steuergeheimnissen in einstigen Steueroasen wäre es nichts anderes als ein Vabanque-Spiel, auf die Wirksamkeit bislang sicher geglaubter Verschleierungstaktiken zu vertrauen.

Die Entscheidung des BFH ist nicht die einzige ihrer Art. Bereits am 1. 8. 2000 hatte der BGH geurteilt, dass Bankmitarbeiter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung straffällig werden, wenn sie ihre Kunden beim anonymen Kapitaltransfer ins Ausland unterstützen (BGH-Urteil vom 1. 8. 2000 – 5 StR 624/99). Es schützt einen Bankmitarbeiter nicht vor Strafe, wenn er sich „berufstypisch“ verhält, d. h. lediglich „seiner Arbeit nachgeht“. Beabsichtigt der Bankkunde, Steuern zu hinterziehen und weiß dies der Bankmitarbeiter, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfe strafbar; sein Tun verliert den Alltagscharakter und er solidarisiert sich mit dem Täter. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie seine Unterstützung verwendet wird und hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zu einer Straftat genutzt wird, ist sein Handeln keine strafbare Beihilfe, es sei denn, „das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung ‘die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein‘ ließ“. Nach Auffassung des BGH ist dies bei Bankkunden der Fall, die einen anonymen Kapitaltransfer ins Ausland und die Verschleierung ihrer Identität wünschen. Folglich wurde der angeklagte Bankmitarbeiter zu einer Geldstrafe verurteilt.

Ungemach droht auch den beteiligten Unternehmen: Das LG Düsseldorf verhängte gegen eine Großbank eine Verbandsgeldbuße i. H. von 149 Mio. €, weil sie ihre deutschen Kunden in großem Umfang bei deren Steuerhinterziehung unterstützt hatte und die Geschäftsleitung diese Steuerhinterziehungen wissentlich förderte, statt sie zu unterbinden (LG Düsseldorf, Beschluss vom 21. 11. 2011 – 10 KLs 14/11). Auch hier ging es um den anonymen Kapitaltransfer ins Ausland und die Verschleierung der Identität der Bankkunden.

Das Haftungsszenario für Banken und ihre Mitarbeiter, das aus diesen Entscheidungen spricht, fügt sich nahtlos ein in die Entwicklung des Steuerstrafrechts: Vor allem der BGH verschärft seit 2008 kontinuierlich seine Rechtsprechung, weitet den Tatbestand der Steuerhinterziehung aus und beschneidet die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige. Der Gesetzgeber reagiert darauf mit immer rigideren Vorschriften und die Finanzverwaltung setzt diese Vorgaben konsequent um mit der Folge, dass steuerliche Auseinandersetzungen, die früher in der Betriebsprüfung geführt und bereinigt wurden, immer häufiger zu strafrechtlichen Ermittlungen führen.

Was hilft den betroffenen Unternehmen und Mitarbeitern? Prävention. Corporate Compliance ist längst auch in den Steuerabteilungen angekommen. Heute prüft ein Großteil der Banken die eigene Organisationstruktur kritisch auf strafrechtliche Risiken und verbessert die Prozesse, um das Unternehmen und seine Mitarbeiter vor straf- und bußgeldrechtlichen Konsequenzen zu schützen. Auch ausländische Banken haben die Zeichen der Zeit erkannt und setzen auf eine strikte Weißgeldstrategie und die Legalisierung der Kapitalanlage ihrer Kunden.

In anderen Branchen zeigen sich dagegen noch immer erhebliche Lücken bei der Vermeidung von Steuerverfehlungen. Es ist abzusehen: Der Weg zu einer regelkonformen Steuerpraxis wird für viele Unternehmen lang und steinig sein; er ist gleichwohl ohne Alternative.

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