Genussrechtsbedingungen, die keine Regelung für den Fall des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages (BGAV) enthalten, sind nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage an die veränderten Verhältnisse anzupassen, wenn die Emittentin als abhängige Gesellschaft einen BGAV abschließt. Wenn bei Abschluss des BGAV die Prognose hinsichtlich der Ertragsentwicklung der Emittentin entsprechend positiv gewesen ist, müssen die vollen ursprünglich vorgesehenen Ausschüttungen erbracht werden und dürfen die Rückzahlungsansprüche nicht herabgesetzt werden – unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung der Ertragslage der Emittentin.
Die Urteile (vom 28. 5. 2013 – II ZR 67/12, DB 2013 S. 1837, II ZR 2/12, DB0605936) betreffen ursprünglich von der Essen Hyp und der Rheinhyp emittierte Genussrechte, die im Zuge der Verschmelzung dieser Institute auf die Eurohypo durch entsprechende Genussrechte der Eurohypo ersetzt wurden. Nach den Bedingungen der Rheinhyp-Genussrechte war aus dem Bilanzgewinn eine von einem Referenzsatz abhängige Ausschüttung zu zahlen; nach den Bedingungen der Essen Hyp-Genussrechte bestand der Ausschüttungsanspruch unabhängig von einem Bilanzgewinn. In beiden Fällen durfte durch die Ausschüttung kein Bilanzverlust entstehen. An einem Bilanzverlust der Emittentinnen nahmen die Genussrechte in voller Höhe teil; die Rückzahlungsansprüche minderten sich entsprechend. Im Jahr 2007 wurde ein BGAV zwischen der Eurohypo als abhängiger Gesellschaft und einer Commerzbank-Tochter im Handelsregister eingetragen. Im Jahr 2009 erwirtschaftete die Eurohypo (ohne Berücksichtigung des korrespondierenden Ausgleichsanspruchs aus dem BGAV) einen Jahresfehlbetrag i. H. von etwa 170 Mio. €. Sie leistete keine weiteren Ausschüttungen auf die Genussrechte und setzte die jeweiligen Rückzahlungsansprüche herab – zu Unrecht, wie der BGH befand.
In Literatur und Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass die Inhaber von Genussrechten schutzbedürftig sind, wenn die Emittentin nach der Ausgabe der Genussrechte als abhängige Gesellschaft einen BGAV abschließt. Wie dieser Veränderung zu begegnen ist, ist umstritten. Der BGH hält eine Anpassung des Vertragsinhalts nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage für den zutreffenden Weg. Entsprechend dem Regelungsgedanken des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG seien Ausschüttungen und Rückzahlungen an die Genussrechtsinhaber während der Laufzeit des BGAV in voller Höhe zu leisten, wenn aufgrund der bei Vertragsschluss zu stellenden Prognose davon auszugehen sei, dass die Emittentin die Ausschüttungen und Rückzahlungen an die Genussrechtsinhaber aus Bilanzgewinn werde leisten können. Genussrechtsinhaber seien mindestens genauso schutzwürdig wie Aktionäre, könnten aber in der Hauptversammlung nicht über den BGAV abstimmen oder mit einer angemessenen Abfindung ausscheiden. Daher sei es für beide Seiten zumutbar, wenn – analog zum Anspruch der Aktionäre auf einen festen Ausgleich gem. § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG – auch die Ansprüche der Genussrechtsinhaber aufgrund einer Prognose festgeschrieben werden.
Dies kann man durchaus auch anders sehen. Die Vertragsanpassung könnte etwa in einer teleologischen Reduktion des Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens dahingehend bestehen, dass es keine nachteiligen Weisungen mehr erteilen darf. Auch könnte man Ausschüttungen und Rückzahlungen nach dem vor Gewinnabführung oder Verlustausgleich errechneten fiktiven Bilanzgewinn oder -verlust bemessen. Jedoch hat der BGH diese Lösungsansätze verworfen. Die Praxis wird sich darauf einzustellen haben.
Der BGH sieht keinen Widerspruch zwischen seiner Lösung und den einschlägigen bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften. Insbesondere hat er den Einwand verworfen, dass das Genussscheinkapital bei der Berechnung des haftenden Eigenkapitals nicht mehr gem. § 10 Abs. 2, 2b Nr. 4 KWG als Ergänzungskapital berücksichtigt werden könne, wenn die Genussrechtsinhaber feste Zahlungen erhielten. Nachteile bei der Berechnung des haftenden Eigenkapitals seien ein Risiko, das nicht die Genussrechtsinhaber, sondern die Emittentin und das herrschende Unternehmen zu tragen hätten; sie hätten den BGAV abgeschlossen und müssten daher auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen.
Nach den BGH-Entscheidungen ist die Kautelarpraxis wieder am Zug. Können Genussrechtsbedingungen Regelungen für den Fall des Abschlusses von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen vorsehen, die von § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG abweichende Rechtsfolgen normieren? Können sich Ausschüttungen und Rückzahlungen nach dem vor Gewinnabführung oder Verlustausgleich errechneten fiktiven Bilanzgewinn oder -verlust bemessen, wenn der Beherrschungsvertrag vorsieht, dass das herrschende Unternehmen vollständig oder unter bestimmten Voraussetzungen auf die Erteilung nachteiliger Weisungen verzichtet? Kann, wenn das Weisungsrecht derartig eingeschränkt ist, das übergeordnete Unternehmen einer Institutsgruppe seiner Verantwortung für die angemessene Eigenmittelausstattung der Gruppe gem. § 10a Abs. 12 KWG nachkommen? Man darf gespannt sein, mit welchen Gestaltungen die Praxis künftig aufwarten wird.