Die Fremdfinanzierung eines Unternehmens durch Gesellschafter ist im Falle der Insolvenz des Unternehmens besonders kritisch. Handelt es sich bei den Unternehmen um eine AG, GmbH oder GmbH & Co. KG, sind die entsprechenden Kredite gegenüber den Forderungen anderer Gläubiger nachrangig und alle Tilgungsleistungen innerhalb eines Jahres vor dem Insolvenzantrag können vom Insolvenzverwalter im Wege der sog. Insolvenzanfechtung zurückverlangt werden.
Gleichwohl ist die Fremdfinanzierung durch den Unternehmenseigner oft unverzichtbar: Die klassischen Fälle sind der Start-up, wenn das Unternehmen noch nicht kreditwürdig ist, und die Krise des Unternehmens, weil keine Bank mehr finanziert und alle Sicherheiten schon vergeben sind. Beides – Start-up und Krise – kann ein böses Ende nehmen und dann schlägt das Insolvenzrecht zum Nachteil des finanzierenden Gesellschafters zu. Überlegungen zu Ausweich-Szenarien sind die Folge.
Das erste Mittel ist, dass nicht der Gesellschafter, sondern ein ihm nahestehender Dritter, also bspw. ein Konzernunternehmen oder ein Familienmitglied, die Finanzierung übernimmt. Das zweite Mittel ist der spätere Verkauf und die Abtretung des Gesellschafterdarlehens an einen Dritten, der nicht ebenfalls Gesellschafter ist. Ob die dargestellten Probleme im Falle der Insolvenz der Gesellschaft dadurch gelöst werden, war Gegenstand eines vielbeachteten Urteils des 9. Senats des BGH vom 21. 2. 2013 – IX ZR 32/12, DB 2013 S. 631. Die Entscheidung hatte sich mit beiden Fallgestaltungen zu beschäftigen – der Finanzierung durch einen gesellschafternahen Dritten und der späteren Abtretung der Forderungen.
Zum ersten Aspekt: anstelle des unmittelbaren Gesellschafters finanzierte die Obergesellschaft der Unternehmensgruppe, die damit wirtschaftlich in direkter Linie Inhaber des Kreditnehmers war. Die Kreditvergabe war folglich der Kreditierung durch einen Gesellschafter gleichzustellen. Um die Formulierung allgemeingültiger Kriterien, wann man von einer solchen Gleichstellung ausgehen kann, kam der BGH damit herum. Diese Frage ist in der Fachliteratur hochumstritten, in der Praxis insbesondere bei mittelständischen Unternehmen aber von erheblicher Bedeutung. Einigkeit besteht zunächst dahingehend, dass Strohmann-Finanzierungen aller Art dem Kreditgeber nichts nutzen. Ist dies aber nicht der Fall oder nicht beweisbar, werden andere Kriterien diskutiert – bspw. der Zugriff auf diejenigen Informationen, wie sie typischerweise nur der Gesellschafter hat. Ein anderer Aspekt ist die Frage, inwieweit der Kreditgeber durch die Finanzierung an künftigen Gewinnchancen des Unternehmens teilhat. Beides schafft allerdings noch keinen Gesellschafter.
Das richtige Kriterium scheint daher die Teilhabe am Unternehmenswert. Das ist bei atypisch stillen Beteiligungen ebenso zu bejahen wie bei einer Konzernverflechtung, bei der der Wert des gesamten Unternehmensverbunds auch Auswirkungen auf das einzelne Konzernunternehmen hat, das auf einer Stand-alone-Basis anders bewertet werden würde. Das Kriterium greift aber ganz besonders in den gar nicht so seltenen Fällen, in denen sich der Drittfinanzierer bei Erreichung bestimmter Erfolgsparameter Zugriffsrechte auf Geschäftsanteile oder Beteiligungsquoten sichert (sog. Call Options). Einer solchen Finanzierung wird man die Vergleichbarkeit mit einer Gesellschafterfinanzierung schwer absprechen können, weshalb sie unter insolvenzrechtlichen Aspekten als besonders riskant einzustufen ist. Das Thema ist allerdings sehr facettenreich und durch die BGH-Entscheidung nicht endgültig geklärt.
Deutlich klarer und für die Praxis richtungsweisend hat sich der BGH zum Verkauf und der Abtretung einer Gesellschafterfinanzierung an einen Dritten positioniert. Dabei konnte der 9. Senat zunächst an eine Entscheidung des 2. Senats aus dem Vorjahr anknüpfen (Az. II ZR 6/11, DB 2012 S. 47). Dort ging es darum, ob ein Gesellschafterdarlehen auch dann noch den insolvenzrechtlichen Nachteilen unterliegt, wenn der Gesellschafter zum Zeitpunkt der Insolvenz des Unternehmens längst ausgeschieden ist. Der 2. Senat hatte dies nur für den Fall bejaht, dass die Gesellschafterstellung innerhalb eines Jahres vor dem Insolvenzantrag geendet hat. Ist der Gesellschafter früher ausgeschieden, endet auch die insolvenzrechtliche Verstrickung der Finanzierung.
Der 9. Senat hat diese Grundsätze für den Fall der Forderungsabtretung fortgeführt. Erfolgt die Abtretung im Zeitraum eines Jahres vor dem Insolvenzantrag, bleibt die Forderung nachrangig und alle Tilgungen sind anfechtbar. Auf die Person des Forderungserwerbers – des sog. Zessionars – kommt es dabei nicht an. Auf diese Weise konnte sich der BGH schwierige Überlegungen zu Missbrauchsgestaltungen ersparen. Im konkreten Fall handelte es sich bei dem Zessionar nämlich um eine Limited mit Sitz in einem Karibik-Staat (daher auch „Karibik-Entscheidung“), bei der nahegelegen hat, dass sie mit dem ursprünglichen Forderungsinhaber verbunden gewesen ist.
Gleichwohl hatte diese Konstellation noch auf eine andere Grundsatzbestimmung des BGH Einfluss. Kommt es nach Abtretung der Forderung innerhalb eines Jahres vor dem Insolvenzantrag zu Tilgungsleistungen, kann der Insolvenzverwalter den Rückzahlungsanspruch nicht nur gegenüber dem Erwerber sondern auch gegenüber dem ursprünglichen Forderungsinhaber geltend machen; der Gesellschafter bzw. der dem Gesellschafter vergleichbare Dritte und der Zessionar haften insoweit als Gesamtschuldner. Das hat erhebliche Auswirkungen u. a. für die Praxis des Factoring und des Debt Restructuring sog. Non-Performing Loans. Zum einen muss dem Forderungserwerber klar sein, dass er Tilgungen nach Forderungserwerb nicht behalten kann, wenn es innerhalb eines Jahres zu einer Insolvenz kommt, und umgekehrt muss der Verkäufer der Forderung wissen, dass er für entsprechende Zahlungen haftet, obwohl nicht er, sondern der Zessionar sie vereinnahmt hat.
Einen Ausweg bieten nur die beiden Tatbestände, nach denen eine Gesellschafterfinanzierung nicht den insolvenzrechtlichen Nachteilen Nachrang und Anfechtbarkeit unterliegen. Das ist zum einen das sog. Kleinbeteiligungsprivileg, also wenn der Gesellschafter mit nicht mehr als 10% an dem Unternehmen beteiligt ist, und das Sanierungsprivileg. Letzteres greift dann ein, wenn die Finanzierung in der Krise des Unternehmens erfolgt aber mit einem ganz konkreten und im Streitfall zu beweisenden Sanierungskonzept unterlegt ist. Ein solches Sanierungskonzept schützt aber nur die damit einhergehende Neu-Finanzierung des Unternehmens und hat auf die insolvenzrechtliche Verstrickung einer erworbenen Forderung keine Auswirkungen.