Am 1. 8. 2013 hatte das LAG Baden-Württemberg (Az. 2 Sa 6/13, DB0605717 ) über die Abgrenzung von Werk- oder Dienstvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung bei einem sog. Ticketsystem zu entscheiden. In dem zugrunde liegenden Fall hatte das beklagte Einsatzunternehmen mit einem Werkunternehmen einen IT-Service-Rahmenvertrag geschlossen. Jeder Einzelauftrag wurde in ein digitales Ticketsystem eingestellt und durch das Werkunternehmen mit eigenen Mitarbeitern oder Subunternehmern bearbeitet. Ein solches Subunternehmen wiederum beauftragte die beiden Kläger. Diesen stellte das Einsatzunternehmen auf seinem Betriebsgelände ein eingerichtetes Büro mit Computerarbeitsplätzen zur Verfügung. Sie hatten ihre IT-Leistungen vor Ort montags bis freitags von 8.00-17.00 Uhr zu erbringen. Auch außerhalb des Ticketsystems erteilten verschiedene Arbeitnehmer des Auftraggebers (weisungswidrig, aber mit Kenntnis der zuständigen Personalverantwortlichen) dem Kläger arbeitsrechtliche Weisungen (Direktbeauftragungen). Die Kläger machten geltend, dass zwischen ihnen und dem Einsatzunternehmen ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei, weil sie tatsächlich nicht aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages dort tätig gewesen seien, sondern im Rahmen einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung.
Bei der Arbeitnehmerüberlassung schließt der Verleiher mit dem Entleiher einen Vertrag, in dem er sich verpflichtet, bei ihm angestellte Leiharbeitnehmer dem Entleiher zur Arbeitsleistung zu überlassen. Der Verleiher überträgt das ihm aus den Leiharbeitsverträgen zustehende Weisungsrecht auf den Entleiher. Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer bestehen keine vertraglichen Beziehungen. Nach §§ 10 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit 9 Nr. 1 AÜG wird jedoch ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher fingiert, wenn der Leiharbeitsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher unwirksam ist, weil der Verleiher nicht über die erforderliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt.
Von der Arbeitnehmerüberlassung abzugrenzen sind Werk- oder Dienstverträge zwischen Unternehmen, bei denen der Auftragnehmer die Werk- oder Dienstleistung mit eigenen Arbeitnehmern erbringt. Anders als bei der Arbeitnehmerüberlassung werden Letztere hierbei nicht dem Auftraggeber überlassen, damit dieser sie wie eigene Arbeitnehmer einsetzen kann, sondern erfüllen für ihren Arbeitgeber (den Auftragnehmer) nach dessen Weisungen seine vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Auftraggeber.
Der Einsatz von Fremdpersonal aufgrund von Werk- oder Dienstverträgen ist hochaktuell, da Unternehmen hierin verstärkt ihr Heil suchen, seitdem die Arbeitnehmerüberlassung als flexibles Gestaltungstool durch die AÜG-Reform und die Rechtsprechung immer weiter beschränkt wird. Vor diesem Hintergrund sah sich jüngst auch das BAG gehalten, noch einmal zur Abgrenzung von Werk- und Arbeitsvertrag Stellung zu nehmen (Urteil vom 25. 9. 2013 – 10 AZR 282/12). Die der Pressemitteilung zu entnehmenden Ausführungen des BAG sind an sich ein „alter Hut“, der jedoch gerade wieder in Mode kommt: Kennzeichnend für ein Arbeitsverhältnis ist, dass die vereinbarte Tätigkeit weisungsgebunden, d. h. in persönlicher Abhängigkeit geleistet wird und der Leistende in die betriebliche Organisation des Leistungsgläubigers eingegliedert ist. Entscheidend ist dabei im Zweifel nicht die Vertragsgestaltung, sondern die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses. Bezogen auf die Arbeitnehmerüberlassung kommt es ebenfalls darauf an, ob der potenzielle Leiharbeitnehmer vom Auftraggeber/Entleiher wie ein Arbeitnehmer eingesetzt, also insbesondere eingegliedert und seinen Weisungen unterworfen wird.
Ausgehend von dieser Abgrenzung entschied das LAG Baden-Württemberg nun, dass das Ticketsystem an sich zwar unproblematisch dem Werkvertragsrecht zuzuordnen sei. Dies gelte selbst dann, wenn Arbeitnehmer des Auftraggebers Beschäftigte des Werkunternehmens – wie die Kläger – in „untypischen Einzelfällen“ auch außerhalb dieses Ticketsystems direkt beauftragen und unter zeitlich-örtlichen Vorgaben auch personenbezogene Anweisungen erteilen. Handele es sich bei diesen Direktbeauftragungen allerdings um „beispielhafte Erscheinungsformen“ einer durchgehend geübten Vertragspraxis, sei von einem Scheinwerkvertrag auszugehen. Dann liege – wie im entschiedenen Fall – in Wahrheit eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vor. Da diese ohne Erlaubnis erfolgte, bejahte das Gericht die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses der Kläger zum Einsatzunternehmen.