Das Jahresende kommt, und damit werden auch wieder Weihnachtsgeld und Jahresabschlusszahlungen in den Unternehmen fällig. In der Vergangenheit war es üblich, dass nur solche Mitarbeiter anspruchsberechtigt waren, die am 31. Dezember noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen. Wer also im Dezember sein Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, ging leer aus. Solchen Regelungen hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits in den Jahren 2011 und 2012 einen Riegel vorgeschoben. Seinerzeit entschied das höchste deutsche Arbeitsgericht, dass jedenfalls für Zahlungen, die Gegenleistung für geleistete Arbeit sein sollten, eine Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen nicht über den Zeitraum hinaus zulässig ist, für den die Sonderzahlung geleistet wird. Das begründete das BAG mit einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers. Wenn die Zahlung geleistete Arbeit belohnen sollte, dann hat der Arbeitnehmer mit Ablauf des jeweiligen Bezugszeitraums seine Leistung erbracht, sodass ihm die Gegenleistung nicht verweigert werden könne, wenn er anschließend ausscheidet.
Daraus war geschlossen worden, dass jedenfalls eine Bindung bis zum 31. Dezember zulässig ist, mit anderen Worten, dass der Arbeitnehmer seines Anspruchs verlustig gehen durfte, wenn er vor dem 31. Dezember ausscheidet. Rechtzeitig vor dem nächsten Zahltag für Jahresabschlussleistungen hat das BAG auch diese Auffassung verworfen. Mit seiner Entscheidung vom 13. 11.2013 – 10 AZR 848/12, DB0630602 hat das Gericht festgestellt, dass eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstelle, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden könne, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.
Es ging in dem Fall um eine Weihnachtsgratifikation, deren Einzelheiten in jährlich versandten Richtlinien geregelt waren. Voraussetzung sollte jeweils ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember sein. Der Kläger schied zum Ende September aus und forderte 9/12 der Jahresleistung. Entgegen den Vorinstanzen gab das BAG ihm Recht. Aus dem Gesamtzusammenhang ergebe sich, dass die Sonderzahlung jedenfalls auch Gegenleistung für geleistete Arbeit sein solle. Dann benachteilige eine solche Stichtagsregelung den Arbeitnehmer unangemessen, weil sie ihm den Lohn für bereits geleistete Arbeit entziehe.
Diese strengen Anforderungen an Stichtagsregelungen gelten nicht bei Sonderzahlungen, die ausschließlich die Betriebstreue belohnen sollen. Für solche Zahlungen ist eine Bindung auch über den jeweiligen Bezugszeitraum hinaus zulässig, abhängig von der Höhe der Zahlung bis zum 30. Juni des Folgejahres. Ob allerdings eine Zahlung der Belohnung der Betriebstreue dient, ermittelt das Gericht nicht nur nach der Bezeichnung, sondern auch nach den Gesamtumständen des Falles. Vor allem liegt eine Belohnung der Betriebstreue nur dann vor, wenn sich der Betrag im üblichen Rahmen von bis zu zwei Monatsgehältern hält.
Im entschiedenen Fall entsprach die Höhe der Sonderzahlung dem Novembergehalt. Es ist offen, ob die strenge Betrachtung des BAG auch dann gilt, wenn die Höhe der Zahlung an das Unternehmensergebnis anknüpft und mit den Mitarbeitern Jahresziele vereinbart werden. In der Vergangenheit hielt die Rechtsprechung wegen der ansonsten unmöglichen exakten Berechnung der Zahlung eine Bindung jedenfalls bis zum Jahresende für zulässig. Diese Rechtsprechung ist mit der neuesten Entscheidung nicht aufgehoben. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass bei der Vereinbarung von Jahreszielen die Erbringung der Arbeitsleistung über das ganze Jahr Voraussetzung für den Anspruch auf die Sonderzahlung ist.
Ebenfalls noch offen ist die Frage, ob der entschiedene Fall anders zu beurteilen gewesen wäre, wenn die Stichtagsregelung nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, also im „Kleingedruckten“, sondern in einer Betriebsvereinbarung enthalten gewesen wäre. Für solche Fallkonstellationen ist nicht, wie in der aktuellen Entscheidung, der 10. Senat, sondern der 1. Senat des BAG zuständig. Allerdings hat auch dieser in der Vergangenheit eine strenge Betrachtung mit Blick auf bereits verdiente Entgeltbestandteile eingenommen. Daher ist die Prognose nicht gewagt, dass auch Stichtagsregelungen zum Jahresende, die in Betriebsvereinbarungen enthalten sind, keine Gnade vor dem BAG finden werden. Völlig offen ist die Rechtslage, soweit solche Regelungen in Tarifverträgen enthalten sind. Hierzu liegt höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht vor.