Der Fall Rhön-Klinikum AG erregt Aufmerksamkeit wegen des öffentlichen Streits der Großaktionäre. Er hat das Zeug, in drei Bereichen das Aktienrecht fortzuentwickeln. Da ist erstens die Frage, ob die Veräußerung der Anteile an Klinikgesellschaften, die einen großen Teil der Unternehmensaktivitäten ausmachen, der Hauptversammlung vorzulegen ist. Anderswo stimmen die Aktionäre bei der Veräußerung wertvoller Unternehmensteile mit: „Aktionäre segnen Verkauf der Handysparte ab“ (Handelsblatt v. 19.11.2013 über Nokia, Finnland). Hierzulande hat der BGH (Beschl. 20. 11. 2006 – II ZR 226/05) im Jahr 2006 knapp befunden, die Beteiligungsveräußerung einer AG bedürfe auch dann keiner Hauptversammlungszustimmung nach „Holzmüller”-Grundsätzen, wenn quantitative Schwellenwerte der „Gelatine”-Entscheidungen (mindestens 75% des Unternehmens der AG) überschritten werden. Diese Auffassung könnte einer Überprüfung zugeführt werden. Damit ist jetzt das Landgericht Schweinfurt befasst, nachdem die Großaktionärin Braun AG (14%-Anteil) am vergangenen Donnerstag eine Klage gegen die Transaktion eingereicht hat.
In diesem Zusammenhang taucht zweitens die Frage auf, ob eine Hauptversammlung auch nur zu Informationszwecken einberufen werden kann und darf. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hat Mitte November die Aktionäre aufgerufen, sich ihrem Antrag auf Durchführung einer außerordentlichen HV anzuschließen (übrigens: nicht im Aktionärsforum nach § 127a AktG, obwohl dieses für solche Aufforderungen geschaffen wurde). Im Kölner Kommentar zum AktG (Noack/Zetzsche, § 122 Rn. 62) heißt es, jedenfalls bei der börsenfernen AG sei ein Einberufungsverlangen zulässig, das nur auf Beratung ziele, solange der Gegenstand im Kompetenzbereich der HV liege. Bei der börsennotierten AG sei das Informationsdefizit der Aktionäre durch die Kapitalmarktpublizität gemildert. Vorliegend hat die Gesellschaft im September in einer Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG über die Transaktion informiert. Gegenwärtig ist schwer zu sagen, ob auf einer Hauptversammlung noch weitere Details erfragt werden könnten, die wesentlich darüber hinausgehen und damit die Durchführung einer bloßen Info-HV rechtfertigen.
Schließlich ist – drittens – eine eher rechtstechnisch anmutende Frage offen, die zunächst das Landgericht Nürnberg im Frühjahr 2014 zu beantworten hat: der Umgang mit der sog. Legitimationsübertragung des Stimmrechts. Wie muss derjenige ausgewiesen sein, der von einem Aktionär ermächtigt ist, im eigenen Namen das Stimmrecht für Aktien auszuüben, die ihm nicht gehören (s. § 129 Abs. 3 AktG)? Die Stimmen des Repräsentanten der seinerzeit mit 5%-beteiligten Aktionärin Braun AG wurden nicht berücksichtigt und daher die notwendige Mehrheit zur Änderung einer Satzungsklausel als erreicht angesehen. In der Literatur wird von Bayer/Scholz m.E. zutreffend darauf hingewiesen, dass heutzutage der Banknachweis (§ 123 Abs. 3 S. 2 AktG) für die formelle Berechtigung ausreicht.