Leiharbeitnehmer: Kein Arbeitsverhältnis bei nicht nur vorübergehender Überlassung

Dr. Ulrike Schweibert Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht SCHWEIBERT LESSMANN, Frankfurt/Main

RAin Dr. Ulrike Schweibert,
FAArbR, Partnerin
SCHWEIBERT LESSMANN, Frankfurt/Main

Das BAG hat mit Urteil vom 10. 12. 2013 (Az. 9 AZR 51/13, DB0638873 [PM]) eine lang erwartete Entscheidung zur Leiharbeit gefällt: Erfolgt der Einsatz eines Leiharbeitnehmers entgegen der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend, kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher dennoch nicht zustande. Leiharbeitnehmer können sich damit auch bei einer langen oder unbefristeten Einsatzdauer nicht auf ein bestehendes Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher berufen.

Das BAG führt zur Begründung aus, der Gesetzgeber habe bewusst darauf verzichtet, bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis entstehen zu lassen. Die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses sei lediglich bei einer fehlenden Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers vorgesehen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG).

Eine analoge Anwendung dieser Regelung komme nicht in Betracht, da es insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Auch die sog. „Leiharbeitsrichtlinie“ des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. 11. 2008 (RL 2008/104/EG) sehe keine bestimmte Sanktion für die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung vor, sondern überlasse es vielmehr den Mitgliedstaaten, angemessene Sanktionen festzulegen.

Die Klärung dieser grundlegenden Frage dürfte bei einer Vielzahl von Arbeitgebern, die Leiharbeiter einsetzen oder verleihen, für Erleichterung sorgen. Vor dem Urteil des BAG war die Frage der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Entleiher infolge nicht mehr vorübergehender Überlassung äußerst umstritten. Gerade bei Überlassungszeiträumen von mehreren Jahren (der Kläger war in dem vom BAG nun entschiedenen Fall drei Jahre lang überlassen), gingen einige Instanzgerichte von einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher aus. Neben der Vorinstanz (LAG Baden-Württemberg vom 22. 10. 2012 – 11 Sa 84/12) hatte z.B. das LAG Berlin-Brandenburg (Teilurteil vom 9. 1. 2013 – 15 Sa 1635/12, DB0572188) entschieden, dass die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung ein solches Arbeitsverhältnis entstehen lässt (a.A. z.B. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. 10. 2012 – 7 Sa 1182/12, DB0572186). In der Folge befürchteten zahlreiche Arbeitgeber eine Welle von Klagen bei ihnen eingesetzter Leiharbeitnehmer auf Feststellung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses, sollte das BAG sich dieser Auffassung anschließen. Mit dem klaren Votum des BAG ist diese Befürchtung jetzt zunächst einmal vom Tisch.

Keine eindeutige Aussage ist der Pressemitteilung zu der Frage zu entnehmen, wann eine Überlassung nicht mehr nur vorübergehend erfolgt. Diese Frage konnte das Gericht in dem zu entscheidenden Fall offen lassen, da an eine dauerhafte Überlassung nach seiner Auffassung keine – arbeitsrechtlichen – Rechtsfolgen geknüpft sind. Insoweit bleibt auch offen, ob hier auf die Einsatzdauer des Leiharbeitnehmers oder den Beschäftigungsbedarf des Entleihers abzustellen ist. Dies ist insoweit misslich, als nach dem Beschluss des BAG vom 10. 7. 2013 (Az.: 7 ABR 91/11, DB0629818) der Betriebsrat des Entleihers bei einer nicht vorübergehenden Einstellung von Leiharbeitnehmern nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG widersprechen kann. Vor diesem Hintergrund sind weitere Streitigkeiten über den Begriff „vorübergehend“ vorprogrammiert.

Interessant wird sein, wie sich die schwarz-rote Koalition zu dem Thema positionieren wird. Im Koalitionsvertrag ist bisher nur vorgesehen, dass eine Überlassung zukünftig nur noch bis zu einer Höchstdauer von 18 Monaten zulässig sein soll. Unklar ist insoweit allerdings, ob hierbei auf die Einsatz des Leiharbeitnehmers oder den Beschäftigungsbedarf beim Entleiher abzustellen ist. Dies wird hoffentlich dem Gesetzesentwurf zu entnehmen sein. Zu der Frage, welche Sanktionen eine Überlassung von mehr als 18 Monaten haben soll, enthält der Koalitionsvertrag keine Vorgaben. Das BAG hat den (zukünftigen) Gesetzgeber in seinem aktuellen Urteil nun sogar recht deutlich an seine gesetzgeberischen Pflichten erinnert: Angesichts einer Vielzahl möglicher Sanktionen, obliege deren „Auswahl“ dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten für Arbeitssachen. Es bleibt abzuwarten, welche Wahl die Koalitionäre treffen werden.

 

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