Das europäische Gesellschaftsrecht und die Ketchupflasche

Erst kommt lange nichts, dann alles auf einmal. So wie man es mit der Ketchupflasche kennt, könnte es mit dem EU-Gesellschaftsrecht kommen. Im Spätherbst 2012 wurde der „Aktionsplan zur „Modernisierung des europäischen Gesellschaftsrechts und der Corporate Governance“ vorgelegt. Die Kommission hat im vergangenen Jahr nur zwei Konsultationen durchgeführt. Die eine betraf Einpersonen-Kapitalgesellschaften, die andere die grenzüberschreitende Sitzverlegung. Seit Juni 2013 sind auf der Internetseite der EU-Kommission (Abteilung Binnenmarkt) keine neuen Nachrichten für das Gesellschaftsrecht mehr vorhanden. Einen Legislativakt gab es letztmals im Jahr 2010. Dass die EU nicht hyperaktiv das Gesellschaftsrecht ummodelt ist begrüßenswert. Aber was braut sich da zusammen?

Eines jedenfalls nicht: die Euro-GmbH. Diese als Europäische Privatgesellschaft angekündigte Rechtsform im GmbH-Stil ist vor drei Jahren gescheitert – und die Kommission hat vor einigen Monaten erklärt, sie ziehe den Verordnungsvorschlag zurück. Nur die Großkoalitionäre in Berlin haben den Schuss nicht gehört, wenn sie in ihrem Vertrag schreiben, sie wollten das Projekt weiter unterstützen. Am Veto Deutschlands wegen Bedenken betreffs der Mitbestimmung und der Besteuerung ist die EPG schließlich im Ministerrat aufgehalten worden.

Auf dem Wege zur baldigen Veröffentlichung ist ein Entwurf zur Ergänzung der aus dem Jahr 2007 stammenden Aktionärsrechterichtlinie. Dieser Entwurf hat es in sich. Er betrifft drei wesentliche Bereiche: die Vorstandsvergütung, die institutionellen Investoren (sollen Anlagestrategie darlegen) und die professionellen Stimmrechtsvertreter (sollen Entscheidungskriterien offenlegen).

Zur Vergütung des Vorstands: Die Aktionäre sollen auf der Hauptversammlung über die Vergütung verbindlich abstimmen. Dabei soll eine Obergrenze festgelegt werden und die Relation zum durchschnittlichen Einkommen der Unternehmensmitarbeiter festgelegt werden. Wird der Vergütungsplan abgelehnt, muss auf einer außerordentlichen Hauptversammlung über einen neuen Antrag abgestimmt werden.

Die Zuweisung an die HV sah ein Gesetzesvorhaben der alten Bundesregierung vor, das im September 2013 im Bundesrat scheiterte. Die Große Koalition will die Regelung wieder in den Gesetzgebungsprozess einbringen. Die Brüsseler Richtlinie würde dieses Verfahren quasi überholen. Insbesondere die Festlegung eines Verhältnisses zum Durchschnittsverdienst ist in den deutschen Planungen bislang nicht enthalten.

Kritisch sei angemerkt, dass die EU mit dieser Direktive einen scharfen Eingriff vorhat, der sich keineswegs von selbst versteht. Die Kompetenz zur Rechtssetzung beruht auf Art. 50 AEUV, wonach „Schutzbestimmungen … im Interesse der Gesellschafter“ koordiniert werden können. Ob die ausschließliche Zuweisung an die Hauptversammlung verbunden mit einer inhaltlichen Einschränkung (Relation) eine solche „Schutzbestimmung“ ist, die unbedingt einheitlich zu sein hat, darf nicht nur unter dem Aspekt der Subsidiarität füglich bezweifelt werden.

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