EuGH: Pflicht der Internetanbieter zur Sperrung illegaler Websites

RA Dr. Eberhard Kromer, Partner, SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin

RA Dr. Eberhard Kromer, Partner, SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin

Der Europäische Gerichtshof hat am 27. 3. 2014 entschieden, dass Anbieter von Internetzugangsdiensten gerichtlich verpflichtet werden können, den Kundenzugang zu Websites zu sperren, auf denen massiv Urheberrechte verletzt werden (Rs. C-314/12).

Zugrunde liegt dem Urteil eine in Österreich entschiedene Klage der Wega Film Wien und der deutschen Constantin Film gegen den österreichischen Kabelanbieter UPC Telekabel. Die Filmproduktionsgesellschaften hatten erreicht, dass die österreichischen Gerichte UPC Telekabel dazu verpflichteten, den Zugang zur Website www.kino.to zu blocken. Kino.to musste in Deutschland bereits im Juni 2011 den Betrieb einstellen, nachdem deren Betreiber in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung verhaftet wurden. Auf kino.to wurden hunderttausende illegal kopierte Filme und Serien angeboten.

Wega Film und Constantin hatten in diesem Fall von evidenten und massenhaften Rechtsverletzungen auf kino.to das Interesse, dass die Access-Provider die Website für ihre Kunden sperren. Dies können Rechteinhaber aber immer nur dann verlangen, wenn die Access-Provider als sog. „Vermittler“ eingestuft werden, deren Dienste zur Verletzung von Urheberrechten genutzt werden. Der Begriff des Vermittlers basiert auf der EU-Harmonisierungsrichtlinie zum Urheberrecht (RL 2001/29/EG des EU-Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft), sodass Österreichs oberster Gerichtshof letztinstanzlich die entscheidenden Rechtsfragen in diesem Fall dem EuGH vorzulegen hatte: Ist UPC Telekabel ein „Vermittler“? Und ist es mit der Harmonisierungsrichtlinie vereinbar, einem solchen Vermittler umfangreiche Zugangssperren für seine Kunden aufzuerlegen?

Der EuGH nutzte den Vorlagebeschluss, um einige der im Jahre 2001 in der Richtlinie aufgestellten Grundsätze zu bestätigen und den heutigen Entwicklungen gerecht zu werden. In seiner Entscheidung hatte der EuGH letztlich eine Abwägung zwischen sich entgegenstehenden Grundrechten vorzunehmen: dem Recht der freien unternehmerischen Entfaltung zugunsten der UPC Telekabel, dem eigentumsgleichen Recht der Urheber an den illegal genutzten Werken und der Informationsfreiheit der Internetnutzer.

Mit seinem Urteil stärkt der EuGH die Urheber und Rechteinhaber in ihrem Vorgehen gegen die Online-Piraterie, ohne dabei die Rechte der Access-Provider und der Internetnutzer außer Acht zu lassen. Im Mittelpunkt der Entscheidung des EuGH standen dabei die Erwägungsgründe 9 und 59 der Harmonisierungsrichtlinie:

„Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. […] Das geistige Eigentum ist daher als Bestandteil des Eigentums anerkannt worden.“

„Insbesondere in der digitalen Technik können die Dienste von Vermittlern immer stärker von Dritten für Rechtsverstöße genutzt werden. […] Daher sollten die Rechtsinhaber […] die Möglichkeit haben, eine gerichtliche Anordnung gegen einen Vermittler zu beantragen, der die Rechtsverletzung eines Dritten in Bezug auf ein geschütztes Werk […] im Netz überträgt.“

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass es dem Access-Provider zuzumuten sei, ihm ganz allgemein und ohne Anordnung konkreter Maßnahmen aufzuerlegen, den Zugang zu Websites mit maßgeblich illegalen Inhalten zu sperren. Das Gericht bestätigt damit unmissverständlich, dass Access-Provider wie UPC Telekabel als Vermittler gelten, die zur Bekämpfung von Rechtsverletzungen im Internet verpflichtet werden können.

Der EuGH überlässt den Access-Providern dabei die „Wahl der Waffen“, also der konkreten Maßnahmen, um die Anordnung umzusetzen. Durch den Nachweis, alle zumutbaren Mittel eingesetzt zu haben, können sich die Access-Provider zudem von einer Haftung befreien. Der Einwand, dass die Sperrung von Websites grundsätzlich technisch umgangen werden kann, greift dagegen nicht.

Über die Reichweite der Anordnungen gegen Access-Provider werden nun die nationalen Gerichte entscheiden. Sie werden dabei die Leitlinien des EuGH berücksichtigen müssen. Die Urheber und Rechteinhaber gehen gestärkt in die Auseinandersetzungen mit den Access-Providern und feiern das Urteil des EuGH als großen Fortschritt zur Rechteverteidigung und Vereinheitlichung des europäischen Schutzes des Urheberrechts. Netzaktivisten stehen der Entscheidung dagegen kritisch gegenüber und verweisen darauf, dass jedes Blockieren von Websites die Meinungsfreiheit gefährde. Provider kritisieren das Urteil als unklar und unverhältnismäßig. Dies zeigt, wie sorgfältig die nationalen Gerichte bei der Überprüfung von Sperranordnungen die rechtlich geschützten Interessen im Einzelfall werden abwägen müssen.

Die im Urteil enthaltenen Abwägungen sind Wegmarken für notwendige Regeln im Internet. Das Urteil selbst ist ein Meilenstein bei der global notwendigen Ordnung der Vorgänge in unserer digitalen Welt.

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