Derzeit wird viel über das Thema „Whistleblowing“ gesprochen. Dabei geht es darum, dass Arbeitnehmer Missstände in ihrem Betrieb öffentlich anprangern, um so Gefahren für sich oder andere abzustellen. Der Kommunikation nach außen liegt regelmäßig die Auffassung des Mitarbeiters zugrunde, dass innerbetrieblich keine wirksame Abhilfe geschaffen werden kann. Whistleblowing ist in den USA selbstverständlicher Teil der Arbeitskultur und als ein Garant der Arbeitssicherheit geschätzt. In Deutschland wird Whistleblowing dagegen vielfach kritisch gesehen, doch wird auch hierzulande vermehrt der Schutz des Whistleblowers gefordert, da sein Anliegen im allgemeinen Interesse läge.
Anders, so sollte man meinen, liegt der Fall allerdings dann, wenn sich Mitarbeiter über (vermeintliche) Missstände im Betrieb äußern, um sonstige Interessen zu verfolgen. In einem vom BAG am 31. Juli 2014 (2 AZR 505/13) entschiedenen Fall ging es dem Arbeitnehmer konkret um die Bildung eines Betriebsrats bei seinem bis dahin betriebsratslosen Arbeitgeber. In einem von der Gewerkschaft ver.di produzierten Video sprach er über betriebliche Probleme und insbesondere angeblich fehlende Sicherheitsvorkehrungen. Wörtlich sagte er, man könne „fast behaupten“, dass keine Maschine „zu 100% ausgerüstet“ sei. Es fehle an Fachkräften und die vorhandenen Mitarbeiter würden die Bedienung der Maschinen nicht ordnungsgemäß vornehmen können. Das Video wurde durch Gewerkschaft und Arbeitnehmer aktiv im Internet verbreitet.
Rechtssicherheit leider Fehlanzeige
Das Bundesarbeitsgericht hat die vom Arbeitgeber daraufhin ausgesprochene außerordentliche Kündigung kassiert. Anders als beide Vorinstanzen sah es den genannten Vorgang nicht als ausreichend dafür an, dass der Arbeitnehmer das arbeitsvertragliche Vertrauensverhältnis in unwiederbringlicher Weise zerstört habe.
Freilich hat sich die Rechtsprechung schon seit Jahren dafür entschieden, im Falle einer außerordentlichen Kündigung keinen Kriterienkatalog zur Anwendung zu bringen, sondern eine ausführliche Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen. Dass dies in der Praxis zu Rechtsunsicherheit, insbesondere auf Arbeitgeberseite, führt, zeigt oben genannter Fall sehr deutlich. Aber auch Arbeitnehmer sollten durch diese Entscheidung gewarnt sein. Es müssen nicht immer Unflätigkeiten und Beschimpfungen sein, die einem Arbeitgeber das Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar machen. Auch im Hinblick auf innerbetriebliche Organisation, Produktqualität und Arbeitssicherheit ist Vorsicht und Zurückhaltung angebracht. Grundsätzlich gilt: Eine Beschädigung des eigenen Arbeitgebers in der Öffentlichkeit ist unter allen Umständen zu unterlassen. Ein solches Verhalten stellt nicht nur ein Sägen am sprichwörtlichen Ast, auf dem man sitzt, dar, sondern ist in den Folgen auch unbeherrschbar und in höchstem Maße unsolidarisch.