Neues EU-Schweizer Kooperationsabkommen in Wettbewerbsfragen

RA Dr. Eike Helbig, Steptoe & Johnson LLP, Brüssel

RA Dr. Eike Helbig, Steptoe & Johnson LLP, Brüssel

Am 01.12.2014 ist ein neues Kooperationsabkommen zwischen der EU und der Schweiz in Wettbewerbsfragen in Kraft getreten, welches einen umfassenden Austausch von Informationen zwischen den Wettbewerbsbehörden der Parteien ermöglicht. Das Abkommen, welches eine neue Dimension der internationalen Zusammenarbeit in Kartellfragen etabliert, dürfte v.a. Auswirkungen auf Compliance-Strategien von Unternehmen mit Zweigniederlassungen und/oder Tochterunternehmen in der Schweiz haben, aber auch auf andere Unternehmen, die in der Schweiz intensiv wirtschaftlich tätig sind.

Ziel und Inhalt des Abkommens 

Das Regelwerk sieht vor, dass die Wettbewerbsbehörden der beiden Vertragsparteien, also die EU-Kommission (und hierüber auch die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten) auf der einen Seite sowie die Schweizer Wettbewerbskommission („WEKO“) auf der anderen, enger miteinander kooperieren. Hierdurch sollen grenzüberschreitende wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen von Unternehmen effektiver bekämpft werden können. Im Detail soll das Abkommen:

  • mehr Struktur in die Kooperation der Wettbewerbsbehörden bringen und
  • einen umfassenden Austausch von Informationen über wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen ermöglichen.

Insb. letzterer Aspekt unterscheidet das Abkommen von bisher zwischen der EU und Drittstaaten abgeschlossenen Kooperationsabkommen wie etwa mit den USA, Korea und Japan.

Stärkung der strukturellen Kooperation zwischen den Wettbewerbsbehörden

I.E. sieht das Abkommen vor, dass die Kommission und WEKO sich gegenseitig über laufende Kartellverfahren austauschen können. Abgesehen hiervon sehen die Regelungen vor, dass sich die Behörden über kartellrechtliche Vollzugsmaßnahmen informieren müssen, sofern Interessen der jew. anderen Partei berührt sein könnten. Aus europäischer Sicht soll dies dann der Fall sein, wenn das betroffene Unternehmen seinen Sitz in der Schweiz hat oder wenn das mutmaßlich rechtswidrige Verhalten in nicht unerheblichem Maße in der Schweiz stattgefunden hat. Unabhängig hiervon dürfen die Behörden Verfahrenseinleitungen in dem jew. anderen Zuständigkeitsbereich fordern sowie Vollzugsmaßnahmen, insb. das zeitliche Vorgehen bei Durchsuchungen, miteinander abstimmen.

Umfassender Austausch von Informationen zwischen den Parteien 

Aus praktischer Sicht dürfte jedoch von besonderem Interesse sein, dass das Abkommen den Behörden erlaubt, Informationen, die im Rahmen von kartellrechtlichen Ermittlungen erlangt wurden, untereinander auszutauschen – und dies ohne die Einwilligung der betroffenen Unternehmen. Bisher war dies von einer vorherigen Einwilligung abhängig und zwar auch in Fällen, wo bereits Kooperationsabkommen mit Drittstaaten bestehen. Um einen uferlosen Austausch an Informationen zu verhindern, sieht das Abkommen jedoch stringente Ausnahmen vom Informationsaustausch vor. So darf ein Informationsaustausch nur in den Fällen stattfinden, in denen die Behörden gegen dieselbe Verhaltensweise(n) vorgehen. Zudem dürfen keine Informationen an die jew. andere Wettbewerbsbehörde übermittelt werden, die aus Selbstanzeigen und Vergleichsverhandlungen erlangt wurden – es sei denn, das betroffene Unternehmen erteilt vorab seine ausdrückliche schriftliche Zustimmung zur der Übermittlung. Das Abkommen verbietet zudem die Übermittlung von Informationen, die besonderen Schutz genießen, wie z.B. Kommunikation mit Rechtsbeiständen. Schließlich sieht das Abkommen auch Restriktionen für den Umgang mit und die Nutzung von ausgetauschten Informationen vor. In Bezug auf die Einsichtnahme durch Dritte (z.B. Geschädigte) verweist das Vertragswerk etwa auf die bestehenden Regelungen der beiden Vertragsparteien. Auf europäischer Seite dürfte daher auch die neuere Rspr. des EuGH zu dem Thema Geltung erlangen.

Auswirkungen für betroffene Unternehmen

Das Abkommen dürfte in erster Linie Auswirkungen auf Unternehmen haben, die eine Zweigniederlassung und/oder Tochterunternehmen in der Schweiz haben. Diese Unternehmen dürften zukünftig deutlich weniger Einfluss auf den Informationsaustausch der Wettbewerbsbehörden haben als bisher, was sich in der Compliance-Strategie der Unternehmen widerspiegeln sollte. Betroffen könnten daneben aber auch Unternehmen sein, die intensive wirtschaftliche Verbindungen in die Schweiz unterhalten.

Eher vorausschauend könnte das Abkommen jedoch auch zu einer generell intensivierten internationalen Zusammenarbeit in Kartellfragen führen – mit den daraus resultierenden Konsequenzen für international agierende Unternehmen. Denn angesichts der Tatsache, dass bislang geschlossene Kooperationsabkommen zwischen der EU und Drittstaaten sich praktisch kaum ausgewirkt haben, dürfte nicht auszuschließen sein, dass die EU ähnliche Abkommen mit anderen Staaten abschließen wird bzw. existierende Abkommen überarbeitet.

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