In zwei ganz unterschiedlichen Fallkonstellationen musste sich der 8. Senat des BAG heute mit Videofilmen befassen, durch die sich die klagenden Arbeitnehmer in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt sahen.
Zum einen verlangte eine arbeitsunfähig geschriebene Arbeitnehmerin Schmerzensgeld wegen heimlicher Videoüberwachung durch einen vom Arbeitgeber beauftragten Detektiv und zum anderen klagte ein Ex-Arbeitnehmer, der im Imagefilm des Arbeitgebers auftaucht, auf Unterlassung der weiteren Veröffentlichung dieses Videos.
Schmerzensgeldanspruch einer Arbeitnehmerin wegen heimlicher Videoüberwachung
Im ersten Fall (BAG v. 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13) glaubte ein Geschäftsführer nicht an die Arbeitsunfähigkeit seiner Sekretärin, weil diese unmittelbar nach einer Meinungsverschiedenheit mit ihm krank geworden war und die lückenlosen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von unterschiedlichen Fachärzten stammten. Aus diesem Grund beauftragte die Beklagte eine Detektei, welche die Klägerin an mehreren Tagen observierte und dabei Videoaufnahmen fertigte. Auf den Filmen war die Klägerin unter anderem im Waschsalon, beim Warten auf dem Fußweg sowie beim Begrüßen und Liebkosen eines Hundes zu sehen.
Das LAG Hamm (vom 11. Juni 2013 – 11 Sa 312/13) gab der Klägerin dem Grunde nach Recht, blieb aber mit lediglich € 1.000 Schmerzensgeld für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts erheblich unter den Vorstellungen der Klägerin. Aus diesem Grund legten sowohl die Klägerin als auch die Beklagte Revision gegen die Entscheidung ein, die jedoch beide ohne Erfolg blieben.
Die Beklagte habe durch die heimlichen Videoaufnahmen und die Observation als solche das Persönlichkeitsrecht der Klägerin rechtwidrig verletzt. Ohne eine nachvollziehbare Erschütterung des grundsätzlichen Beweiswertes ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dürfe der Arbeitgeber eine solche Überwachung nicht anordnen.
Ein höheres Schmerzensgeld vermochten die Bundesrichter der Klägerin gleichwohl nicht zuzusprechen. Die dahingehenden Feststellungen der Vorinstanz waren nach dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab der Revision nicht zu beanstanden.
Praxistipp: Kein vorschneller Verdacht des „Krankfeierns“
Die Entscheidung des BAG ermahnt die Arbeitgeber, den Beweiswert ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ernst zu nehmen und nur bei begründetem Anlass, Krankfeiern zu unterstellen. Die Überwachung eines Arbeitnehmers ist an den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG zu messen. Dazu muss der Arbeitnehmer des Betrugs über die Arbeitsunfähigkeit hinreichend verdächtig sein. Bevor der Arbeitgeber seinem (vermeintlich) kranken Arbeitnehmer einen Detektiv – mit oder ohne Videokamera – hinterher schickt, müssen deshalb besondere Umstände vorliegen, welche die Annahme, der Arbeitnehmer sei in Wirklichkeit gar nicht krank, belegen. Gesetzliches Nachweismittel für eine Erkrankung ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Deren Beweiswert muss erheblich erschüttert sein, bevor der Arbeitgeber den Arbeitnehmer observieren lassen darf. Abgesehen von Mängeln der Bescheinigung selbst sind das vom Arbeitnehmer nach einer Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber angekündigte Fernbleiben oder die häufige Erkrankung im unmittelbaren Anschluss an einen Urlaub insoweit weitgehend anerkannte Fälle.
Dass das BAG sich aus revisionsrechtlichen Gründen nicht zur Höhe des Schmerzensgeldes äußern musste, ist für die Praxis bedauerlich. Die vom LAG Hamm zuerkannte vergleichsweise geringe Schmerzensgeldhöhe mag den ein oder anderen Arbeitgeber trotz der heutigen Entscheidung des BAG möglicherweise nicht davon abhalten, seine kranken Arbeitnehmer weiterhin ohne begründeten Anlass zu observieren. Davor kann indes nur gewarnt werden.
Ex-Arbeitnehmer als Darsteller in Imagefilmen: kein Unterlassungsanspruch
Im zweiten heute entschiedenen Fall (BAG vom 19.02.2015 – 8 AZR 1011/13) begehrte der Kläger von seinem ehemaligen Arbeitgeber, die weitere Veröffentlichung eines Imagefilms zu unterlassen. Auf diesem Film ist der Kläger neben anderen Kollegen bei der Verrichtung bestimmter Arbeitsvorgänge zu sehen. Anlässlich der Filmaufnahmen hatten der Kläger und 31 weitere Arbeitnehmer der Beklagten die nach § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) erforderliche Einwilligung in die Veröffentlichung der betreffenden Filmaufnahmen erteilt. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass sein Einverständnis auch ohne ausdrücklichen Hinweis nur auf die Zeit seiner Zugehörigkeit zur Belegschaft begrenzt sei; jedenfalls habe er seine Einwilligung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frei widerrufen dürfen.
Wie bereits die Vorinstanz (LAG Rheinland-Pfalz vom 08.05.2013 – 8 Sa 36/13) folgte das BAG der Argumentation des Klägers nicht. Das sich sowohl aus § 22 KUG als auch allgemein aus dem Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung ergebende Erfordernis der schriftlichen Einwilligung sei hier erfüllt. Mangels erkennbarer Einschränkungen dieser Einwilligung erlische diese nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Für den Widerruf der Einwilligung hätte es über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausgehender plausibler Gründe bedurft. Ohne dass dies der Pressemitteilung des BAG zu entnehmen ist, schließt sich das BAG dabei offensichtlich der Begründung des LAG an, welches dem Arbeitnehmer das freie Widerrufsrecht gerade deshalb abgesprochen hat, weil die Filmaufnahme keinen auf die individuelle Person des Arbeitnehmers bezugnehmenden Inhalt transportiert.
Praxistipp: Stets auf Einwilligung achten
Während sich die Beklagte durch das Einholen der schriftlichen Einwilligungen der Arbeitnehmer geradezu mustergültig verhielt, darf lebensnah unterstellt werden, dass es in einer Vielzahl der gerade auch auf den sozialen Netzwerken von Unternehmen verbreiteten Imagefilme und -fotos daran mangelt. Spätestens mit der heutigen Entscheidung des BAG steht die Rechtswidrigkeit solcher ohne ausdrückliche Zustimmung des Arbeitnehmers erfolgenden Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung fest. Um Unterlassungs- und Schmerzensgeldansprüchen vorzubeugen, ist der Arbeitgeber, der mit seinen Arbeitnehmern werben will, deshalb gut beraten, auf die vorherige schriftliche Einwilligung der Arbeitnehmer zu achten. Auch dem insoweit sorgfältigen Arbeitgeber darf die heutige Entscheidung des BAG indes keinesfalls das Gefühl vermitteln, aufgrund schriftlicher Einwilligungen unbegrenzt über das Werbematerial verfügen zu können. Das gilt namentlich dann nicht mehr, wenn die Grenze zwischen beruflicher und privater Betätigung der Arbeitnehmer verwischt, der Arbeitgeber beispielsweise meint, sein Image durch die Darstellung gemeinsamer Freizeitaktivitäten der Belegschaft pflegen zu müssen.