Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in einem Urteil vom 5. März 2015 (Az.: IX ZR 133/14, DB 2015 S. 732) zu den insolvenzrechtlichen Anforderungen an Rangrücktrittsvereinbarungen geäußert und darin einige in der Rechtslehre bisher umstrittene Fragen geklärt. Rangrücktrittsvereinbarungen sind nach herrschender Meinung Schuldänderungsverträge (§ 311 Abs. 1 BGB), durch die der Gläubiger eines Unternehmens sich bereit erklärt, im Falle der Insolvenz des Unternehmens seine Forderung erst nach Zahlung aller übrigen Verbindlichkeiten zu erhalten.
In der Praxis werden Rangrücktrittsvereinbarungen häufig eingesetzt, um die Passivierung einer Verbindlichkeit im Überschuldungsstatus einer Gesellschaft und somit deren Überschuldung und eine damit verbundene Insolvenzantragspflicht zu vermeiden.
Durchsetzungssperre vor Insolvenzeröffnung zur Vermeidung einer Überschuldung
Seit Einfügung des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) im Jahre 2008 waren die zeitlichen Anforderungen eines Rangrücktritts in der Rechtslehre umstritten. Während einige Stimmen mit Blick auf den Wortlaut der Norm („Nachrang im Insolvenzverfahren“) einen Rangrücktritt für die Zeit der Insolvenz genügen lassen wollten, hat der Bundesgerichtshof nunmehr klargestellt, dass dadurch eine Überschuldung des Unternehmens nicht abgewendet wird. Soll durch die Rangrücktrittsvereinbarung eine Passivierungspflicht vermieden werden, muss sich vielmehr ihr Regelungsbereich auf den Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung erstrecken. Anderenfalls wäre der Gläubiger nicht gehindert, seine Forderung vor Verfahrenseröffnung durchzusetzen und mithin würde der Überschuldungsstatus die Schuldendeckungsfähigkeit nicht richtig wiedergeben. Auch reicht ein zeitlich begrenzter Rangrücktritt nicht aus, vielmehr muss der Gläubiger aufgrund der Abrede dauerhaft daran gehindert sein, seine Forderung geltend zu machen.
Rangtiefe der Rücktrittsvereinbarung
Daneben hat sich der Bundesgerichtshof in seinem Urteil mit der Frage der erforderlichen Rangtiefe des Rücktritts beschäftigt. Diese war insbesondere vor Einfügung des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO durch das MoMiG umstritten. Grund dafür war unter anderem die Formulierung des II. Zivilsenats in einem Urteil aus dem Jahre 2001 (Az.: II ZR 88/99, DB 2001 S. 373), nach der eine Überschuldung dann verhütet werden könne, wenn der Gläubiger erkläre, er wolle wegen der jeweiligen Forderungen erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschafter berücksichtigt werden. Die Einfügung des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO, nach dessen Wortlaut der Nachrang hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO bezeichneten Forderungen ausreicht, hat einer so weitreichenden Interpretation indes einen Riegel vorgeschoben. Die Rangrücktrittsvereinbarung muss mithin keine Gleichstellung mit den Einlagerückgewähransprüchen, also einen Rücktritt in den Rang des Eigenkapitals, beinhalten.
Dagegen hilft die Vereinbarung eines Rücktritts hinter bestimmte einzelne Gläubiger zur Vermeidung einer Überschuldung nicht, da die Forderung des zurücktretenden Gläubigers in diesem Falle als letztrangige Verbindlichkeit bestehen bleibt und sich somit nach wie vor auf das Schuldnervermögen auswirkt. Eines Forderungsverzichts bedarf es indessen nicht.
Rangrücktritt eines Nichtgesellschafters
Der Bundesgerichtshof hat ferner erneut bekräftigt, dass eine Rangrücktrittsvereinbarung nicht nur zwischen einer Gesellschaft und ihrem Gesellschafter (etwa als Inhaber einer Darlehensforderung), sondern auch mit einem Nichtgesellschafter getroffen werden kann. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO, der nach seinem Wortlaut nur auf Gesellschafterdarlehen abstellt, ist insofern dahingehend auszulegen, dass auch außenstehende Gläubiger erfasst werden.
Schließlich ist nunmehr klargestellt, dass die Beschränkung der Wirkung des Rangrücktritts auf Gestaltungen einer drohenden Insolvenzreife unschädlich ist. Die Parteien können mithin vereinbaren, dass der Gläubiger seine Forderung durchsetzen können soll, solange das schuldende Unternehmen ohne die Gefahr einer Insolvenz über hinreichende finanzielle Mittel zur Tilgung der Verbindlichkeit verfügt.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs schafft in vielerlei Hinsicht Klarheit für die Praxis und ist daher zu begrüßen. Obgleich ihm ein Sachverhalt vor Inkrafttreten des MoMiG zugrunde lag, werden die wesentlichen Aussagen auch nach dessen Inkrafttreten Geltung haben.