In den letzten Jahren hat der BGH den Anwendungsbereich der Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) durch seine Rechtsprechung stark ausgedehnt, indem er den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Gläubigers davon bereits aus einer Vielzahl verschiedener Indizien folgerte. Ein solches Indiz ist etwa der Umstand, dass der Schuldner Verbindlichkeiten bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen hat (siehe etwa BGH vom 27.05.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155 S. 85 = DB 2003 S. 2171).
Dies führte dazu, dass Lieferanten, die der Schuldner nur stockend bezahlt hat und/oder die dem Schuldner Ratenzahlungen bewilligt hatten.unter Umständen bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht nur einen beträchtlichen Ausfall zu verzeichnen hatten, sondern darüber hinaus dann vom Verwalter auch noch auf Rückzahlung der erhaltenen (Teil-)Zahlungen in Anspruch genommen wurden. Dies hat in der Wirtschaft (siehe etwa Positionspapier des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), ZInsO 2013, 2312) und teilweise auch der Wissenschaft (siehe etwa Bork, ZIP 2008, 1041) zu erheblicher Kritik geführt.
Referentenentwurf des Bundesjustizministerium
Nunmehr hat das Bundesjustizministerium kürzlich einen Referentenent-
wurf „eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach
der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ vorgelegt, der das Anfechtungsrisiko für die Geschäftspartner in gewissen Fällen einschränken soll. Insbesondere handelt es sich dabei um folgende Fälle:
Befriedigung durch Zwangsvollstreckung als kongruente Deckung
Die Rechtsprechung hatte bislang durch Zwangsvollstreckung erlangte Sicherheiten oder Befriedigungen als „inkongruent“ und damit als erleichtert anfechtbar angesehen. Das Bundesjustizministerium will für die Zukunft nunmehr ausdrücklich festschreiben, dass allein die Tatsache, dass der Gläubiger die Befriedigung durch Zwangsvollstreckung auf der Grundlage eines in einem gerichtlichen Verfahren erlangten vollstreckbaren Titels erwirkt hat, keine erleichterte Anfechtung als „inkongruent“ begründet. Der Verweis auf den „in einem gerichtlichen Verfahren erlangten Titel“ führt dabei dazu, dass die Finanzämter und Sozialversicherungsträger, die in der Lage sind, selbst vollstreckbare Titel ohne gerichtliches Verfahren zu schaffen, von dieser Privilegierung nicht betroffen sind.
Begrenzung der Anfechtung bei vereinbarungsgemäßer Leistungserbringung
Soweit kongruente Deckungshandlungen betroffen sind – also Handlungen, durch die ein Gläubiger für eine bestehende Forderung eine Sicherheit oder eine Befriedigung erlangt – soll die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO im Regelfall nur dann durchgreifen können, wenn der Gläubiger zur Zeit der Rechtshandlung positiv wusste, dass der Schuldner zahlungsunfähig war. Für sämtliche Deckungshandlungen wird der Anfechtungszeitraum auf die letzten vier Jahre vor Insolvenzantragstellung reduziert. Bei sonstigen (nicht Deckungs-)Rechtshandlungen verbleibt es hingegen bei dem Zehnjahreszeitraum der bisherigen Fassung des § 133 Abs. 1 InsO. Zudem hat bereits die „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ indizielle Bedeutung für die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.
Benachteiligungsvorsatz und Ratenzahlungsvereinbarung
Ausdrücklich festgeschrieben werden soll ferner, dass die Kenntnis des anderen Teils vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht allein daraus abgeleitet werden kann, dass der Schuldner den anderen Teil im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs um eine Zahlungserleichterung gebeten hat oder der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung nach § 802b Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung abgeschlossen hat.
Hinsichtlich jeglicher Rechtshandlung, die gemäß § 133 InsO angefochten werden soll, wird festgeschrieben, dass dies nur dann möglich ist, wenn der Schuldner versucht, durch die Rechtshandlung seine Gläubiger „unangemessen“ zu benachteiligen. Eine solche Benachteiligung liegt dabei nach Vorstellung des Referentenentwurfes dann nicht vor, wenn für eine Leistung des Schuldners unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist, die zur Fortführung seines Unternehmens oder zur Sicherung seines Lebensbedarf erforderlich ist oder die Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs ist.
Bargeschäftsprivileg bei der Vergütung von Arbeitnehmern
Bezüglich der Vergütung von Arbeitnehmern soll die (umstrittene, s. etwa BGH vom 10.07.2014 – IX ZR 192/13, DB 2014 S. 1731) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. dazu Zwanziger in DB 2014 S. 2391 und Klinck in DB 2014 S. 2455) gesetzlich festgeschrieben werden. Die Entgeltzahlung wird künftig ein die Anfechtung ausschließendes Bargeschäft sein, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgeltes drei Monate nicht übersteigt. Der BGH hat demgegenüber einen Zeitraum von maximal 30 Tagen für tolerabel gehalten (s. etwa zuletzt 10.07.2014 – IX ZR 192/13, DB 2014 S. 1731, Rz. 71). Es wird aber auch allgemein bestimmt, dass bei der Beurteilung des für das Bargeschäft erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhangs die „Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ zu berücksichtigen sind.
Verzinsungspflicht des Rückgewähranspruchs
Schließlich soll festgeschrieben werden, dass entgegen der bisherigen Rechtsprechung eine Verzinsungspflicht der durch den Insolvenzverwalter im Anfechtungswege eingeforderten Geldsumme nur nach allgemeinen Verzugsgrundsätzen besteht. Der Gläubiger hat daher die vom Insolvenzverwalter zurückgeforderte Summe in aller Regel erst ab dem Zeitpunkt einer entsprechenden Mahnung des Verwalters bzw. der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu verzinsen. Bislang bestand nach der Rechtsprechung des BGH ein Verzinsungsanspruch bereits seit dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ohne dass es auf einen Verzugseintritt ankam.
Konsequenterweise will der Referentenentwurf die entsprechenden Vorschriften des Anfechtungsgesetzes, die die Anfechtung durch einen Gläubiger außerhalb eines Insolvenzverfahrens regeln, entsprechend ändern.
Auswirkungen für die Praxis
Sollte der Referentenentwurf in dieser Form umgesetzt werden, so wird dies für die Geschäftspartner eines insolventen Unternehmens die Gefahren der Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter jedenfalls mindern. Vor zu großen Hoffnungen ist jedoch zu warnen. Die Insolvenzanfechtungsvorschriften enthalten weiterhin genügend durch die Rechtsprechung zu füllende unbestimmte Rechtsbegriffe, sodass genügend streitige Fälle übrigbleiben werden.
Im Übrigen sollte bei einer Würdigung der gesetzgeberischen Initiative immer bedacht werden, dass sich die Neuregelungen zwar zugunsten des einzelnen Gläubigers auswirken werden, der vor Insolvenzeröffnung noch eine Leistung seitens des Schuldners erhalten hat. Auf der anderen Seite wird genau dies sich naturgemäß zulasten sämtlicher anderer Gläubiger auswirken, zu deren gleichmäßigen Befriedigung dann diese dem einzelnen Gläubiger zugute gekommene Leistung gerade nicht mehr zur Verfügung stehen wird.
So oder so werden die Gesetzesänderungen erst für die Zukunft gelten. Der derzeitige Referentenentwurf stellt dabei auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung ab. Die neuen Bestimmungen – so sie denn kommen sollten – werden für diejenigen Insolvenzverfahren gelten, die am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes oder später eröffnet werden. Für die vorher eröffneten Insolvenzverfahren bleibt es bei den bisherigen Regelungen