Hauptversammlung 2015: Briefwahl und Online-Teilnahme

Die mit dem ARUG 2009 eingeführte „Brief­wahl” (§ 118 II AktG) ist 2014 von zwei Drit­teln der DAX30-​Gesellschaften ange­boten worden; 2015 kommen noch einige dazu, u.a. die Deut­sche Telekom AG. Brief­wahl ist eine flotte Sache, die via Internet kur­zer­hand erle­digt ist. Frag­lich ist, wieso daneben noch ein großer Auf­wand mit dem sog. gesell­schafts­be­nannten Ver­treter betrieben wird (§ 134 III 5 AktG). Warum eigentlich über Eck, wenn es auch direkt geht?

Die Aus­ge­stal­tung der „Brief­wahl” (besser for­mu­liert hier das öster­rei­chi­sche Akti­en­ge­setz: Fern­ab­stim­mung) ist überaus ver­schieden. Manche Gesell­schaften beharren auf dem Post­brief, über­wie­gend wird die Stimm­ab­gabe über ein Inter­net­portal ermög­licht. Auch der letzt­mög­liche Zeit­punkt für den Ein­gang der Stimme ist unter­schied­lich bestimmt (Vortag HV, Beginn HV, Beginn der Abstim­mung in der HV). Für den Aktionär mag das etwas mühsam sein, denn er muss die Erläu­te­rungen der jewei­ligen Gesell­schaft genau stu­dieren. Dass sich ein buntes Bild ergibt, ist den­noch eine gute Sache und genau so gewollt: Die Gesell­schaften können ihre eigenen Lösungen anbieten, eine „beste Praxis” wird sich wohl her­aus­bilden und ggf. in einigen Jahren als Kodex-​Empfehlung niederschlagen.

Wenig geheuer ist den DAX30-​Gesellschaften die Online-​Teilnahme (§ 118 I 2 AktG). In ängst­li­cher Büro­kra­ten­sprache heißt es etwa bei Thys­sen­Krupp: „Ange­sichts beste­hender Bedenken zur tech­ni­schen Umset­zung sowie zur Rechts– und Abwick­lungs­si­cher­heit wurde von dieser Mög­lich­keit jedoch bis­lang kein Gebrauch gemacht.” Die „beste­henden Bedenken” haben ges­tern die Mün­chener Rück­ver­si­che­rungs– AG nicht davon abge­halten, ihre HV dem Online-​Aktionär zu öffnen, ebenso wird es (wie schon 2014) der Pio­nier, die SAP AG halten.

Die Online-​Teilnehmer können ihre Stimme auf diesem Wege abgeben, im Grunde also „Brief­wahl” aus­üben. Inso­weit unter­scheiden sich die beiden Vari­anten nur darin, dass die Online-​Aktionäre in das Teil­neh­mer­ver­zeichnis gelangen, die Fern­ab­stim­menden nicht. Die Ausübung des Fragerechts wird nicht ermöglicht.

Diese Erfah­rungen und Ent­wick­lungen werden am 2.10.2015 eine Kon­fe­renz beschäf­tigen, welche die EU-​Generaldirektion Justiz wie folgt ankün­digt: „Under the panel on the use of digital tools in the area of cor­po­rate gover­nance, the Com­mis­sion wish to dis­cuss the fol­lo­wing topics: elec­tronic voting, elec­tronic plat­forms for col­la­bo­ra­tion bet­ween com­pa­nies and inves­tors as well as bet­ween inves­tors and similar tools.”

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