Man will es nicht glauben: Da legen CDU und SPD im Koalitionsvertrag fest, dass die betriebliche Altersversorgung (bAV) deutlich gestärkt werden soll. Und die Ministerin legt Anfang 2015 einen Vorschlag vor, der rund 40% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – immerhin rund 11 Mio. Arbeitnehmer – zügig in den Genuß einer Betriebsrente bringen will. Doch die Fachwelt lehnt unisono ab. Und man wundert sich. Müßten sich die Protagonisten der bAV nicht freuen, wenn es bald so viel für sie zu tun gibt?
Der Reformvorschlag
Der Vorschlag des BMAS will die Absenkung der gesetzlichen Renten durch die „Riester-Reform“ 2002 über die Ausdehnung der Betriebsrenten ausgleichen. Letzteres ist in den letzten Jahren nicht richtig gelungen. Immer noch haben viel zu viele Beschäftigte keine Betriebsrente. Und um nun rasch Verbesserungen zu erzielen schlug Minsterin Nahles vor, dass die Tarifparteien Versorgungstarifverträge schließen und die bAV über gemeinsame Einrichtungen organisieren sollten. Es sollen auch reine „Beitragszusagen“ möglich sein, bei denen der Arbeitgeber lediglich einen bestimmten Versorgungsbeitrag zahlen muss. Die Ministerin hat deutlich gemacht, dass sie die Diskussion ergebnisoffen führt.
Und trotzdem sind offenbar alle dagegen. Arbeitgeber wollen nicht, daß die bAV überhaupt Gegenstand von Tarifverträgen wird. Künftigen Begehrlichkeiten soll vorgebeugt werden. Einige Gewerkschaften befürchten nachteilige Wirkungen bei den bisherigen Versorgungsträgern. Fachexperten befürchten entbehrlich zu werden, wenn die bAV auf einmal „so einfach“ werden sollte.
Unnötige Befürchtungen?
Man wundert sich: Ist es denn wirklich denkbar, dass sich die Anzahl der Versorgungsberechtigten in etwa verdoppelt und dabei unzählige klein- und mittelständische Unternehmen erstmals eine bAV einführen und gleichzeitig die Anzahl der Experten zurückgeht?
Möglicherweise zeigen die Widerstände gegen die tariflichen Lösungen, dass in Unternehmen doch individuellere Lösungen bevorzugt werden. Aber dann müsste das heutige bAV-Instrumentarium trotzdem erweitert werden, denn es braucht neue Impulse, wenn sich ihre Verbreitung wirklich verbessern soll. Dazu gehören sicherlich Elemente wie die Beitragszusage, die automatische Einbindung aller Mitarbeiter in Entgeltumwandlungssysteme („Auto-Enrolment“ mit Opting-Out) oder Andienungsspflichten für Arbeitgeber – aber auch Instrumente, die kollektive Lösungen ermöglichen, damit ein Arbeitgeber nur mit einem einzigen Versorgungsträger kontrahieren muß. Und auch einfachere Übertragungsmöglichkeiten von Anwartschaften z.B. auf einen andere Arbeitgeber oder Versorgungsträger.
Eine Reform ist unvermeidbar
Die Fachwelt muss die Reformdiskussion aktiv gestalten. Denn kommt keine Reform zustande, die starke Impulse für die bAV bewirkt, bleibt das Ausgangsproblem der unzureichenden Versorgung für Millionen von Beschäftigten ungelöst. Und schlussendlich wird die Politik andere Wege beschreiten müssen. Dann vermutlich außerhalb der bAV.
Hinweise zur Vertiefung
Lesen Sie zum konkreten Inhalt des Reformentwurf auch den Beitrag Hanau/Arteaga, DB 2015 S. 615 und die Stellungnahme des Autors im Rahmen des Gastkommentars in DB Heft 18/2015 (M5 = DB0695199)
Veranstaltungshinweis
Informieren Sie sich auf der Fachtagung Betriebliche Altersversorgung über weitere aktuelle Themen rund um die Betriebliche Altersversorgung wie die Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie, die Vorschläge des BMAS und den Reformentwurf: