BAG: Anspruch auf Betriebsrentenanpassung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung?

RA Thomas Bader / RA/FAArbR Christian Betz-Rehm, beide maat Rechtsanwälte, München

RA Thomas Bader / RA/FAArbR Christian Betz-Rehm, beide maat Rechtsanwälte, München

Das BAG hatte in einer Entscheidung vom 15.09.2015 – 3 AZR 839/13 erneut über die Betriebsrentenanpassung bei einer Rentnergesellschaft zu befinden. Mit dem vorliegenden Urteil bestätigt und präzisiert das BAG seine Rechtsprechung zur Anpassungsprüfung bei Rentnergesellschaften. Völliges Neuland betritt das Gericht, soweit es im Sinne einer Missbrauchskontrolle einen Anspruch auf Betriebsrentenanpassung aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) in Erwägung zieht.

Hintergrund und Sachverhalt

Gem. § 16 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der Betriebsrenten an den Kaufkraftverlust zu prüfen. Eine Verpflichtung zur Betriebsrentenanpassung besteht dabei nicht, wenn die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers dies nicht zulässt. Der vom BAG entschiedene Fall betraf eine Gesellschaft, die im Rahmen einer konzerninternen Umstrukturierung durch Abgabe ihres operativen Geschäfts (Betriebsübergang gem. § 613a BGB) zu einer sog. Rentnergesellschaft wurde. Eine Betriebsrentenanpassung erfolgte bei späteren Anpassungsstichtagen aufgrund schlechter wirtschaftlicher Lage nicht. Das Landesarbeitsgericht bejahte einen Schadensersatz auf Betriebsrentenanpassung wegen nicht hinreichender Ausstattung einer Rentnergesellschaft. Das BAG hat diese Begründung verworfen und das Verfahren zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Keine Ausstattungspflicht bei Betriebsübergang

Das BAG bestätigt dabei ausdrücklich seine bereits im Urteil vom 17.06.2014 – 3 AZR 298/13 getroffene Entscheidung, dass keine Ausstattungspflicht für eine im Wege des Betriebsübergangs entstandene Rentnergesellschaft besteht. Die Rechtsprechung zur Ausstattungspflicht einer Rentnergesellschaft (BAG vom 11.03.2008 – 3 AZR 358/06) sei ausschließlich auf Ausgliederungen nach dem Umwandlungsgesetz anzuwenden, nicht aber beim Betriebsübergang. Denn die Gefahr, dass Versorgungspflichten auf eine nicht ausreichend ausgestattete Gesellschaft übertragen werden, bestehe bei Letzterem nicht typischerweise. Ein Schadensersatzanspruch auf Betriebsrentenanpassung wegen unzureichender finanzieller Ausstattung kommt deshalb nicht in Betracht.

Anpassung als Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung?!

Im Folgenden zieht das BAG aber einen auf Anpassung der Betriebsrente gerichteten Schadensersatzanspruch gegen den originären Versorgungsschuldner wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) in Erwägung. Damit betritt das BAG wesentliches Neuland.

Ausgangspunkt der Überlegungen des BAG ist, dass bei einer Übertragung des Geschäftsbetriebs Fälle denkbar seien, in denen der Übertragung wirtschaftlicher Aktivitäten auf andere Unternehmen ein erhöhtes Gefährdungspotential für die Interessen der Betriebsrentner immanent sein kann. Dies ist nach Ansicht des BAG insbesondere bei Betriebsveräußerungen innerhalb eines Konzerns denkbar. Bei derartigen Transaktionen bestehe die Gefahr, dass sie nicht zum Wohle der einzelnen konzernangehörigen Unternehmen, sondern vorrangig zum Wohle des Gesamtkonzerns durchgeführt werden. Dadurch könnten die beim Versorgungsschuldner zur Verfügung stehenden Vermögenswerte so geschmälert werden, dass eine Anpassung der Betriebsrenten zukünftig an der ungenügenden wirtschaftlichen Lage scheitert.

Als Lösungsansatz – offensichtlich im Sinne einer Missbrauchskontrolle – wählt das BAG das Rechtsinstitut der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB). Dabei weist das BAG zunächst zutreffend darauf hin, dass es dafür nicht genügt, wenn eine Handlung gegen vertragliche Pflichten oder das Gesetz verstößt. Es muss vielmehr eine besondere Verwerflichkeit hinzutreten. Danach wird eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Rahmen der Betriebsrentenanpassung nur in klaren Missbrauchsfällen ernstlich in Betracht kommen können.

Ist der Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung erfüllt, kommt es darauf an, ob die Anpassung ohne die sittenwidrige Schädigung wahrscheinlich geschuldet worden wäre. Im Gegensatz zu den Grundsätzen der Anpassungsprüfung möchte das BAG dabei offensichtlich auf fiktive Verhältnisse abstellen: Es müsste beurteilt und (fiktiv) fortgeschrieben werden, wie sich die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners zum jeweiligen Anpassungsstichtag ohne die schädigende Handlung darstellen würde. Dies dürfte – jedenfalls bei längeren Zeitläufen – schwierig sein. Auch steht nach Ansicht des BAG einem solchen Schadensersatzanspruch nicht entgegen, dass er ggf. aus der Vermögenssubstanz zu erbringen ist. Dies erscheint ebenfalls problematisch, da hiermit in letzter Konsequenz eine Insolvenz des Versorgungsschuldners zu Lasten der Betriebsrentenzahlungen an sich und damit eine potentielle Eintrittspflicht des PSVaG in Kauf genommen wird.

Fazit

Der vom BAG angedachte neue Weg einer Anpassungsverpflichtung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung ist noch wenig absehbar. Es bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung diesen Auffangtatbestand, der eine besondere Verwerflichkeit des Handelns voraussetzt, mit Augenmaß zur Anwendung bringt und nicht der Versuchung erliegt, über den Vorwurf eines angeblichen Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten eine allgemeine richterliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen zu etablieren. Dass ein offensichtlicher und gezielter Rechtsmissbrauch durch die Rechtsprechung nicht akzeptiert werden wird, liegt auf der Hand.

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