Viele haben gespannt auf das BAG-Urteil in Sachen AGG-Klage einer abgewiesenen Bewerberin für eine Pilotenausbildung bei der Lufthansa gewartet. Nun hat die Klägerin die Klage am 18.2.2016 gegenüber der Lufthansa Flight Training (einer Tochtergesellschaft) zurückgenommen (Geschäftszeichen des BAG: 8 AZR 770/14) und sich mit der Lufthansa selbst am 18.2.2016 auf die Zahlung eines Betrags von 14.175 € geeinigt (Geschäftszeichen des BAG: 8 AZR 638/14).
Die Einschätzung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts wird daher nicht in schriftlichen Entscheidungsgründen niedergelegt werden. Nach Auswertung der zweitinstanzlichen Entscheidung des LAG Köln (Urteil vom 25.6.2014 – 5 Sa 75/14) lassen sich jedoch trotzdem wichtige Rückschlüsse ziehen:
Richtiger Anspruchsgegner?
Das LAG Köln hatte den möglichen Anspruch der Klägerin nicht am AGG gemessen. Dies lag daran, dass die beklagte Lufthansa zwar die Auswahl der Bewerber durchführte, diese jedoch anschließend mit der Lufthansa Flight Training Schulungsverträge abschlossen. Nach Auffassung des LAG Köln war damit allein die Tochtergesellschaft die potentielle Arbeitgeberin und damit nur sie die richtige Beklagte auf der Grundlage des AGG.
Bei formaler Betrachtungsweise ist diese Differenzierung des LAG Köln vertretbar. Im Rahmen einer Bewertung des Sachverhalts erscheint es aber ebenso nahe liegend, auch die Muttergesellschaft als potentielle Arbeitgeberin zu betrachten. Denn die Ausbildung bei der Tochtergesellschaft erfolgte mit dem Ziel, die ausgebildeten Bewerber später bei der Muttergesellschaft einzustellen.
Aus dem Umstand, dass sich die Klägerin mit der Lufthansa verglichen hat, darf geschlossen werden, dass sich das BAG in diesem Punkt nicht der Auffassung der Vorinstanz angeschlossen, sondern die Lufthansa als potentiellen Arbeitgeber betrachtet und damit auch die möglichen Schadensersatzansprüche gegenüber der Lufthansa nach dem AGG geprüft hat.
Das LAG Köln hatte in Konsequenz seiner oben dargestellten Auffassung gegenüber der Lufthansa nur einen deliktischen Schadensersatzanspruch gestützt auf § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) geprüft. Die Entscheidung bleibt hier dennoch weiter verwertbar, da das Gericht die Frage, ob eine solche Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt, wiederum nach den Grundsätzen des AGG bestimmt hat. Dies wiederum bejahte das Gericht und sah auch keine Rechtfertigung für diese Diskriminierung. Es liegt nahe, davon auszugehen, dass sich das BAG dieser Wertung angeschlossen hat. Denn anderenfalls hätte die Lufthansa keinen Anlass gehabt, sich mit der Klägerin zu vergleichen.
Männer sind größer als Frauen
Die Auswahlrichtlinien der Lufthansa sehen vor, dass Bewerber/innen mindestens 1,65 m groß sein müssen. Hierzu zog das Gericht eine Statistik zu Rate, der zufolge unter den über 20-jährigen in Deutschland 44,3% der Frauen kleiner als 1,65 m sind, jedoch nur 2,5% der Männer. Unter denjenigen, die kleiner als 1,60 m sind, befinden sich bereits nur noch 17,3% der Frauen und im Grunde kein Mann (0,5%). Daraus folgt, dass die Regelung zur Körpergröße beinahe jede 2. Frau ausschließt; bereits eine Absenkung auf eine Mindestgröße von 1,60 m würde dazu führen, dass nur noch jede 6. Frau ausgeschlossen werden würde.
Das Gericht hat die mittelbare Diskriminierung angesichts dieser Zahlen bejaht und deren Rechtfertigung abgelehnt. Die Regelung verfolgt zwar ein rechtmäßiges Ziel, nämlich die Gewährleistung der Flugsicherheit, ist jedoch nicht angemessen, da nicht ersichtlich ist, dass die Flugsicherheit durch Piloten mit einer geringeren Körpergröße als 1,65 m gefährdet werde. In diesem Zusammenhang spielte die Information eine große Rolle, dass bei der zur Lufthansa-Gruppe gehörenden Swiss lediglich eine Körpergröße von mindestens 1,60 m Voraussetzung ist.
BAG deutet möglichen Schadensanspruch an
Die vom LAG Köln angewandte Rechtsgrundlage erhöhte den Prüfungsmaßstab zu Lasten der Bewerberin. Ein materieller Schadensersatzanspruch kann im Bereich ideeller Interessen nur bei einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung gewährt werden. Da jedoch, wie eingangs dargelegt, davon auszugehen ist, dass das BAG einen AGG-rechtlichen Anspruch gegen die Lufthansa gesehen hat, stand die Klägerin in dieser Hinsicht in der Revisionsinstanz besser dar. Offensichtlich hat das BAG einen materiellen Schaden gesehen und die Parteien dürften sich in etwa auf den Betrag geeinigt haben, den das Gericht als angemessen in den Raum gestellt hat.
Herabsetzung der Mindestgröße auf 1,60 m notwendig?
Auch wenn die Lufthansa durch den Vergleich verhindert hat, dass die Voraussetzung der Mindestgröße von 1,65 m in einem BAG-Urteil als diskriminierend festgestellt wird, sollten Luftfahrtgesellschaften ihre Größenvorgaben noch einmal selbstkritisch überprüfen. Wie oben dargelegt, würde sich allein schon die Herabsetzung auf 1,60 m für weibliche Bewerber sehr positiv auswirken.