Surfen statt arbeiten – das geht nicht nur am Strand!

RAin/FAinArbR Constanze Grosch, BMH Bräutigam, Berlin

RAin/FAinArbR Constanze Grosch, BMH Bräutigam, Berlin

Das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 14.01.2016 (5 Sa 657/15 – Vorinstanz: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 21.01.2015 – 37 Ca 4257/15) hat in der Presse eine überraschend große Resonanz gefunden. Im Mittelpunkt der Berichterstattung stand dabei, dass der Arbeitgeber den Browserverlauf des gekündigten Arbeitnehmers ohne dessen Zustimmung ausgewertet hatte.

Als Arbeitsrechtlerin, spezialisiert auf Arbeitgebervertretung, stellt man sich die Frage, was daran eigentlich so überraschend sein soll. Da scheint bei einigen tatsächlich die Vorstellung zu herrschen, dass das Datenschutzrecht dafür herhalten soll, Mitarbeiter mit solchen Verhaltensweisen vor Konsequenzen zu schützen.

Das LAG hat das Recht des Arbeitgebers, den auf der Festplatte gespeicherten Browserverlauf auswerten zu dürfen, auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gestützt. Danach dürfen Daten eines Beschäftigten erhoben werden, wenn dies für die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Im konkreten Fall war die private Nutzung des Internets wenn nicht vollständig verboten, so zumindest stark eingeschränkt. Es war nämlich allenfalls in Ausnahmefällen während der Arbeitspausen gestattet.

Nach Hinweisen auf die exzessive Internetnutzung kündigte die Arbeitgeberin außerordentlich und fristlos. Erst später wertete sie den Browserverlauf – im Einverständnis und mit Beteiligung ihres Betriebsrats – aus, um im Kündigungsschutzverfahren ausreichend detailliert vortragen zu können.

Schweden sind keine Holländer und ein PC ist kein Spind

Wäre ein solches Vorgehen von einer Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers abhängig, dann stünde ein Arbeitgeber in einem solchen Fall im Ergebnis ohne ernstzunehmende Nachweismöglichkeiten da. Das LAG hat in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob der Sachverhalt mit der sogenannten „Spind-Entscheidung“ (BAG, Urteil vom 20.06.2013 – 2 AZR 546/12; in diesem Fall hatte der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Arbeitnehmers dessen Spind geöffnet, um darin nach gestohlenen Artikeln zu suchen; das BAG hatte hier ein Beweisverwertungsverbot ausnahmsweise bejaht) vergleichbar sein könne. Zu Recht hat das LAG diesen Gedanken dann aber verworfen (allerdings u.a. aus diesem Grund die Revision zugelassen).

Bei der Verwertung persönlicher Daten von Arbeitnehmern und dabei einem Eingriff in ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Hier ist bereits deswegen keine Vergleichbarkeit der Sachverhalte gegeben, da ein persönlicher Schrank eines Arbeitnehmers und dessen Inhalt Teil seiner Privatsphäre sind. Der zum Zwecke der Erfüllung der Arbeitspflicht zur Verfügung gestellte PC ist dies ersichtlich nicht.

Der zweite Grund dafür, dass das LAG die Revision zugelassen hat, ist die höchstrichterlich nicht entschiedene Frage, ob § 88 Telekommunikationsgesetz (TKG) auf Arbeitgeber Anwendung findet. Sowohl das LAG Berlin-Brandenburg hatte dies mit Urteil vom 16.02.2011 (4 Sa 2132/10) sowie das LAG Hamm mit Urteil vom 10.07.2012 (14 Sa 1711/10) bereits abgelehnt.

Das Urteil ist in der Presse als positiv zugunsten der Arbeitgeber präsentiert worden. Vorbehaltlich der noch ausstehenden Revision ist dies wohl auch so. Arbeitgeber sollten jedoch berücksichtigen, dass Kündigungen auch wegen exzessiver Internetnutzung keine Selbstläufer sind. Zum einen ist stets die arbeitsvertragliche Grundlage zu berücksichtigen. Ist die Internetnutzung erlaubt, stellt sich die rechtliche Situation ganz anders dar. Es bleibt daher dringend bei dem Rat, die private Internetnutzung ausdrücklich zu verbieten.

Trend der Rechtsprechung: pro Arbeitgeber und contra Datenschutz

Zum anderen darf nicht übersehen werden, dass das Auslesen und Aufbereiten einer exzessiven Internetnutzung für einen Prozess sehr aufwändig ist. Sowohl im vorliegenden Fall als auch im ebenfalls zitierten Fall des LAG Hamm hatten die Gerichte die Darlegungs- und Beweislast der Arbeitgeber extrem hoch angesetzt. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass das BAG in seinem Urteil vom 16.07.2015 (2 AZR 85/15) diesbezüglich den Satz ausgesprochen hat „Dabei hat sich das Gericht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zu begnügen …“. In diesem Urteil ging es übrigens ebenfalls um eine exzessive private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit, und in den Entscheidungsgründen hat das BAG datenschutzrechtliche Bedenken oder das TKG noch nicht einmal thematisiert.

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