Erneut musste sich ein Landesarbeitsgericht mit der Frage beschäftigen, ob bestimmte Formulierungen in Stellenausschreibungen Indizien für eine Altersdiskriminierung von potentiellen Stellenbewerbern nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellen.
Konkret ging es im Urteil des LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.11.2015 – 6 Sa 68/14), dessen Entscheidungsgründe inzwischen veröffentlicht wurden, um die Begriffe „Junior Consultant“ und „Berufseinsteiger“.
Sachverhalt
Das beklagte Unternehmen schrieb eine Stelle als „Junior Consultant/Jurist (w/m) Projekte kaufmännische Verwaltung“ aus. In der Stellenbeschreibung hieß es zudem unter anderem: „Sie sind Berufseinsteiger oder konnten bereits erste Erfahrungen in einer Rechtsanwaltskanzlei oder in einem Unternehmen sammeln.“
Der Kläger ist promovierter Rechtsanwalt und betreibt eine eigene Rechtsanwaltskanzlei. Er behauptete, er habe sich per Email bei der Beklagten auf die Stelle als „Junior-Consultant“ beworben. Da er nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden und auch nicht für die ausgeschriebene Stelle berücksichtigt worden sei, habe die Beklagte ihn seines Lebensalters wegen diskriminiert. Indizien hierfür seien die Begriffe „Berufsanfänger“ und „Junior Consutltant“ aus der Stellenanzeige. Der Kläger verlangte auf Grundlage des AGG von der Beklagten, zunächst vor dem Arbeitsgericht Heilbronn, Zahlung von Schadensersatz, wobei er sich mindestens 15.000 € vorstellte.
Die Beklagte behauptete, die Email des Klägers nicht erhalten zu haben und vertrat daneben die Auffassung, die Bewerbung des Klägers sei aber ohnehin nicht ernst gemeint gewesen. Daneben enthalte die Stellenanzeige keine diskriminierende Formulierung.
Das Arbeitsgericht Heilbronn (Urteil vom 24.07.2014 – 8 Ca 247/13) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe den Zugang seiner Bewerbungs-Email nicht bewiesen.
LAG Baden-Württemberg: Stellenanzeige enthielt keine Indizien für Diskriminierung
Das LAG Baden-Württemberg hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts am 19. November 2015 als unbegründet zurückgewiesen: Es könne dahinstehen, ob sich der Kläger überhaupt auf die Stellenanzeige bei der Beklagten beworben habe, und falls ja, ob diese Bewerbung ernst gemeint gewesen sei. Jedenfalls enthalte die Stellenanzeige der Beklagten keine Formulierung, die eine Diskriminierung des Klägers nach dem AGG indiziert hätte. Der Begriff „Berufseinsteiger“ sei an sich altersneutral, dies habe bereits das BAG entschieden (Urteil von 24.01.2013 – 8 AZR 429/11). Dieses Kriterium könne nämlich auch derjenige erfüllen, der ungewöhnlich lange studiert und erst im vorgerückten Alter einen Abschluss gemacht habe. Der Begriff „Junior Consultant“ bezeichne dagegen allein eine Hierarchieebene im Unternehmen. Das Alter des Mitarbeiters spiele insoweit keine Rolle. Eine „Junior-Position“ bedeute allein, dass der betreffende Mitarbeiter eine niedrigere Rangstellung und eine geringere Entscheidungskompetenz habe, ohne dass diese Bezeichnung an das Alter des Mitarbeiters anknüpfe. Hierbei verweist das LAG auf parallel gelagerte Entscheidungen des LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 21.07.2011 – 5 Sa 847/11) und des LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 10.02.2014 – 3 Sa 27/13).
Demnächst wird das BAG hier für Klarheit sorgen
Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg liegt in Bezug auf die Stellenbezeichnung „Junior-…“ ganz auf der Linie der obergerichtlichen Rechtsprechung, nach der derartige, aus dem angelsächsischem Raum kommende Stellenbeschreibungen lediglich die Hierarchiestufe, nicht aber das Lebensalter des potentiellen Bewerbers im Blick haben.
So überzeugend die Erwägungen des LAG Baden-Württemberg mit Blick auf die in Bezug genommene Rechtsprechung des BAG zur Stellenanforderung „Berufseinsteiger“ auch sind, hat zuletzt das LAG Düsseldorf (Urteil vom 09.06.2015 – 16 Sa 1279/14) genau das Gegenteil entschieden: Da Berufseinsteiger (bzw. -anfänger) typischerweise jünger als Berufserfahrene seien, handele es sich jedenfalls um eine mittelbare Diskriminierung, welche nach dem AGG einer besondere Rechtfertigung bedürfe. Gegen dieses Urteil ist bereits die Revision beim BAG anhängig (8 AZR 454/15).
Im Kern wird das BAG hier vor allem zu der typisierenden Betrachtung im Rahmen der Feststellung diskriminierender Indizien Stellung nehmen müssen. Diese kann nämlich zu seltsamen Ergebnissen führen: Auch wenn in Bezug auf den „Junior“ den Gerichten voll beizupflichten ist, dass es hierbei allein um die unternehmensinterne Hierarchie geht und gerade nicht um das Lebensalter des Bewerbers, so ist auch zu berücksichtigen, dass sich die „Junior“-Position eben auch durch eine „fehlende betriebliche“ und geringe „spezifische Berufserfahrung“ auszeichnet, womit man wieder beim „Berufsanfänger“ landet. Auch in Bezug auf „Junior-Positionen“ lässt sich gleichwohl ebenfalls die typisierende Hypothese aufstellen, wonach diese typischerweise (aber eben nicht immer) von jüngeren Personen bekleidet werden.
Das BAG wird hierbei das Bedürfnis der Arbeitgeber, Stellen für eine bestimmte Hierachieebene diskriminierungsfrei ausschreiben zu können, zu berücksichtigten haben, sodass es den Unternehmen nicht unmöglich wird, das Risiko für Diskriminierungs-Prozesse zu minimieren. Auch im Fall des LAG Baden-Württemberg klang zudem an, dass der Kläger – ein erfahrener Rechtsanwalt – sich nur mit dem Ziel der Geltendmachung von Ersatzansprüchen bei der Beklagten auf die ausgeschriebene Junior-Stelle beworben hat. Auch im Hinblick auf die nicht in geringer Zahl auftretenden Missbrauchsfälle wird das BAG (oder der EuGH) hier demnächst hoffentlich für Klarheit sorgen.