Neues aus Erfurt zur Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats bei Videoüberwachung

RA/FAArbR Dr. Sebastian Maiß, Partner, vangard, Düsseldorf

RA/FAArbR Dr. Sebastian Maiß, Partner, vangard, Düsseldorf

Die Videoüberwachung zählt immer noch zu den am häufigsten verwendeten technischen Einrichtungen zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten im Betrieb. Sie wird regelmäßig dort eingesetzt, wo Räumlichkeiten öffentlich zugänglich sind, beispielsweise im Einzelhandel oder auch in Krankenhäusern. Neben den datenschutzrechtlichen Aspekten bei dem Einsatz von Überwachungskameras sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Ohne Zustimmung des Betriebsrats dürfen diese nicht genutzt werden. Für Arbeitgeber in Konzernstrukturen stellt sich regelmäßig die Frage, mit welchem Betriebsratsgremium er die Videoüberwachung verhandeln muss: Konzernbetriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder lokaler Betriebsrat? In einer aktuellen Entscheidung nimmt das BAG hierzu Stellung (Beschluss vom 26.01.2016 – 1 ABR 68/13).

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen

Ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrats darf der Arbeitgeber keine technischen Einrichtungen installieren oder anwenden (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht immer dann, wenn personenbezogene oder -beziehbare Daten erfasst werden, die dem Arbeitgeber eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle objektiv ermöglichen. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt nimmt dieser Mitbestimmungstatbestand eine immer größere Bedeutung ein. Von ihm werden nicht nur „Klassiker“ wie Überwachungskameras erfasst. In modernen (weltweiten) Matrixstrukturen wird zunehmend mit neuen Kommunikationstools, wie beispielsweise VoiceoverIP (VoIP), Skype for business (früher Lync) oder auch mit digitalen Wikis (z.B. Confluence) gearbeitet, die je nach Anwendungszweck und -umfang ebenfalls dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen können.

Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats

Wird die Videoüberwachung (oder auch IT-Systeme) im Konzern eingeführt, stellt sich für Arbeitgeber die Frage, welches Betriebsratsgremium zu beteiligen ist. Je nach personeller Besetzung des Gremiums und einer entsprechenden „Chemie“ mit den Entscheidungsträgern hat dies für den Arbeitgeber regelmäßig eine ganz erhebliche Bedeutung. Zudem: Wird das falsche Gremium beteiligt, ist die Einführung und Anwendung der Videoüberwachung unwirksam.

Es gilt Folgendes: Der Konzernbetriebsrat ist nur für die Behandlung solcher Angelegenheiten zuständig, die den Konzern selbst oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und die nicht durch die einzelnen (Gesamt-)Betriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können (§ 58 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Hierfür ist nach der Rechtsprechung des BAG ein objektives oder zwingendes Erfordernis für eine unternehmensübergreifende Regelung erforderlich. Allein der Wunsch des Arbeitgebers an einer unternehmensübergreifenden Regelung, ein Kosten- oder Koordinierungsinteresse sowie reine Zweckmäßigkeitserwägungen reichen nicht aus. Die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats bei der Einführung technischer Einrichtungen hat das BAG beispielsweise bei der konzernweiten Einführung und Nutzung von Modulen eines SAP ERP-Systems (BAG, Beschluss vom 25.09.2012 – 1 ABR 45/11) oder auch bei einem Personalinformationssystem (BAG, Beschluss vom 11.03.1986 – 1 ABR 12/84) bejaht.

Sachverhalt

Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr über die Frage der Zuständigkeit bei der Anwendung von Überwachungskameras durch ein Klinikum im Konzernverbund zu entscheiden. Um die Einführung der Kameras selbst stritten die Parteien nicht mehr. Ein unternehmensübergreifender Datenaustausch erfolgte nicht. Von diesen Kameras wurden allerdings auch Arbeitnehmer aufgenommen, die bei anderen Konzerngesellschaften beschäftigten waren und im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen in das Klinikum entsandt waren. Zwischen dem Klinikum und dem Konzernbetriebsrat entstand im Zusammenhang mit der Durchführung einer Einigungsstelle Streit über die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats.

BAG: Keine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats

Das BAG entschied, dass der Konzernbetriebsrat nicht zuständig sei. Zur Begründung führt es aus, dass das Klinikum mit den Überwachungskameras keine unternehmensübergreifende Nutzungs- und Überwachungsmöglichkeit verfolge. Insbesondere erfolge keine Weitergabe der erhobenen Daten oder darauf bezogene Auswertungen innerhalb des Konzerns. Zudem hätten andere Unternehmen des Konzerns auch keine Zugriffsmöglichkeit auf die im Klinikum installierten Kameras und die aufgezeichneten Daten. Die bei den anderen Konzernunternehmen gebildeten Betriebsräte seien daher auch für die Frage zuständig, ob und ggf. unter welchen Grundsätzen welche der in dem Klinikum eingesetzten Arbeitnehmer von den dort installierten Kameras erfasst werden dürfen. In Anknüpfung an seine bisherige Rechtsprechung kommt das BAG zu dem Ergebnis, dass die Betriebsräte der „Entsendebetriebe“ auch dann nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zuständig bleiben, wenn Arbeitnehmer – wie hier – auf Weisung im Betrieb eines anderen Arbeitgebers tätig werden und dort ihr Verhalten oder ihre Leistung durch technische Überwachungseinrichtungen aufgezeichnet werde. Dies gelte auch im Konzernverbund. Denn es sei allein Sache des entsendenden Arbeitgebers dafür zu sorgen, dass der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht auch bei einem Einsatz von Belegschaftsangehörigen in Betrieben von anderen Unternehmen wahrnehmen könne. Ein zwingendes Erfordernis zur konzerneinheitlichen Ausgestaltung der Regelungen zur Anwendung der Kameras liege hingegen nicht vor.

Fazit

Es überrascht, dass das BAG ein zwingendes Erfordernis einer konzerneinheitlichen Regelung verneint. Denn: Wie sollen die Betriebsparteien hier zu ein und demselben Gegenstand treffen unterschiedliche Regelungen – beispielsweise zu den Fragen, in welchem Zeitraum die Kameras betrieben werden dürfen, welche Mitarbeiter erfasst werden und wer zur Auswertung der Bilder berechtigt ist?

Unabhängig davon: Die Entscheidung gibt Arbeitgebern Gestaltungsmittel an die Hand, die Zuständigkeit einer höheren Repräsentationsebene zu vermeiden. Durch die Ausgestaltung der technischen Abläufe hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, Einfluss auf die Zuständigkeit des aus seiner Sicht „richtigen“ Betriebsratsgremiums zu nehmen. Auf der anderen Seite zeigt die Entwicklung der Rechtsprechung des BAG, dass der Konzernbetriebsrat bei der Einführung und Anwendung unternehmensübergreifender technischer Einrichtungen im Konzern zukünftig verstärkt in den Fokus der Mitbestimmung geraten wird. Verbleiben Zweifel an der (originären) Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats sollten die Betriebsparteien auf eine Beauftragung des Konzernbetriebsrats (§ 58 Abs. 2 BetrVG) hinwirken.

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